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Grundlagen

Grundtypen nachhaltigkeitsorientierter Geschäftsmodelle

Ohne unternehmerische Initiative ist das Ziel, die Treibhausgasemissionen in nicht allzu ferner Zukunft deutlich zu senken, nicht zu erreichen. Gleichzeitig entwickeln sich bei Umwelttechnologien und nachhaltigen Dienstleistungen große Zukunftsmärkte. Dies gilt vor allem in den Bereichen, in denen grüne Grundlageninnovationen und ganz neue Geschäftsmodelle entstehen, wie etwa bei regenerativen Energieanlagen, Low Energy-Systemen oder im Internet.

Wie breit das Feld möglicher technologischer, sozialer und organisationaler Innovationen in der grünen Wirtschaft ist, zeigen die von Nancy Bocken und Kollegen entwickelten „Archetypen“ nachhaltigkeitsorientierter Geschäftsmodelle. Viele Start-ups lassen sich einem dieser Grundmodelle zuordnen: Erneuerbare Energien und nachwachsende Rohstoffe, Energie- und Materialeffizienz, Kreislaufwirtschaft, Funktionalität statt Eigentum, Verantwortungsübernahme, Nachhaltiger Konsum, Co-Creation, Social Entrepreneurship.

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Erneuerbare Ressourcen

Bei Geschäftsmodellen diesen Typs werden herkömmliche Inputfaktoren durch erneuerbare Ressourcen ersetzt. In diese Kategorie fallen zum Beispiel alle Unternehmen, die dazu beitragen, dass die Energiewirtschaft auf erneuerbare Energien umgestellt wird.

Optimierung

Neue Angebote verbessern die Material- und Energieeffizienz. Melotte setzt beispielsweise 3D-Metalldruckverfahren ein, um entlang der Wertschöpfungskette Material und Energie einzusparen. Das Unternehmen trägt dazu bei, dass in der Produktentwicklung alle Wertschöpfungsstufen vor der Erstellung von Prototypen vollständig digital und daher ressourcenschonend durchlaufen werden können. Melottes Entwicklungsverfahren sind zudem auf eine optimale Materialausnutzung ausgelegt.

Zirkularität

Das Konzept des „Abfalls“ wird relativiert, indem Abfallströme als wertvolle Inputs für andere Produktionszyklen genutzt werden. Ein Beispiel hierfür ist Interface, ein Unternehmen, das Teppichfliesen produziert. Mit dem sogenannten ReEntry-Programm recycelt Interface Material von alten Teppichen. Darüber hinaus versucht Interface so lange Kontakt zu den Kunden zu halten, bis das gekaufte Produkt das Ende der Nutzungsdauer erreicht hat. Mit den Kunden wird dann entschieden, ob es gereinigt, neu gestaltet oder recycelt wird.

Funktionalität statt Eigentum

Hierunter fallen Dienstleistungen, die Bedürfnisse der Kunden befriedigen, ohne dass diese sich Eigentum aneignen müssen. Es wird lediglich die Funktionalität geliefert. Carsharing-Angebote und viele andere Geschäftsmodelle der sogenannten Share Economy gehören zu dieser Kategorie.

Co-Creation

Das Teilen von Wissen, um Wohlstand zu schaffen. Hierzu zählen Inkubatoren für Start-ups der nachhaltigen Wirtschaft wie etwa Green Garage in Berlin, genauso wie Open Source-Plattformen oder Venture Capital für nachhaltige Wachstumsunternehmen.

Verantwortungsübernahme

Der proaktive Einsatz für alle Stakeholder mit dem Ziel, deren langfristiges Wohl zu sichern. Fairphone sorgt zum Beispiel dafür, dass seine mobilen Telefone unter fairen Arbeitsbedingungen und ohne problematische Materialien hergestellt werden. Das offene Design des Gerätes sorgt für eine lange Produktlebensdauer.

Nachhaltige Lebensstile

Hier geht es um Ansätze, die für eine Reduktion des Verbrauches und der Produktion zum Ziel haben. Ifixit ist zum Beispiel eine Plattform, die Elektroschrott vermeiden hilft, in dem Sie den Nutzern beibringt, wie man elektrische Geräte repariert.

Soziale Dienstleistungen

Beim Social Entrepreneurship steht die Erzeugung von sozialem Wert und nicht von Unternehmensgewinnen im Vordergrund. Acker ist zum Beispiel ein soziales Unternehmen, das Bildungsprogramme für Kinder als auch Erwachsene anbietet, um einen Beitrag für mehr Wertschätzung für Natur und Lebensmittel zu leisten.

Wie entstand das Sustainable Business Canvas?

Für die Entwicklung von Geschäftsmodellen gibt es unterschiedliche Konzepte. Insbesondere Gründer schätzen Ansätze mit einer klaren Struktur, geringer Komplexität und  „Raum zum Experimentieren“. Das Business Model Canvas erfüllt diese Kriterien und hat sich als geeignetes Instrument durchgesetzt. Das Sustainable Business Canvas schließt an dieser Methodik an und entwickeln das Konzept ergänzt um alle Aspekte von Nachhaltigkeit konsequent weiter.

Im ersten Schritt wurden drei neue Felder hinzugefügt:

  • „Vision und Mission“: Im Gründungs- und Geschäftsmodellentwicklungsprozess geben die Vision und Mission wichtige Leitorientierungen, sind sinnstiftend und sorgen im Gründungsteam und Unternehmen für Identität, sowohl nach innen als auch nach außen.
  • „Wettbewerber“: Das Geschäftsmodell soll nicht von seiner Umwelt isoliert betrachtet werden. Insbesondere muss die aktuelle Wettbewerbssituation gut beleuchtet werden.
  • „Relevante Stakeholder“: Eine ganzheitliche Betrachtung unternehmensinterner und –externer Anspruchsgruppen spielt bei der Geschäftsmodellentwicklung eine wichtige Rolle. Insbesondere für das Geschäftsmodell erfolgsrelevante Stakeholder sollten frühzeitig in die Überlegungen zum Geschäftsmodell eingebunden werden.  

Die ursprünglichen Canvas-Felder „Kundensegmente“, „-beziehungen“ und „ -kanäle“ wurden im Feld „Kunden“ zusammengefasst.

Basismodell Erweitertes Business Model Canvas

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© Eigene auf Basis von (Osterwalder und Pigneur 2011)

Im zweiten Schritt wurden basierend auf den Besonderheiten nachhaltigkeitsorientierter Geschäftsmodelle (wie beispielsweise ganzheitliche Nutzenbetrachtung oder Orientierung an konkreten Nachhaltigkeitsprinzipien) spezifische Leitfragen erarbeitet. Um eine systematische Nachhaltigkeitsorientierung sicherzustellen, wird beim Sustainable Business Canvas ein integrativer Ansatz verfolgt. In alle Geschäftsmodellelemente werden neben klassischen Aspekten die nachhaltigkeitsspezifischen Leitfragen integriert. So werden diese nicht nur als Add-on behandelt, sondern bei allen Aspekten der Geschäftsmodellentwicklung mit betrachtet.

Sustainable Business Canvas

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Weiterführende Informationen

Im BPW-Webinar "Erfolgsfaktor Nachhaltigkeit", durchgeführt im Rahmen des Businessplan-Wettbewerbs Berlin-Brandenburg am 2. Mai 2016, erläutert Prof. Dr. Klaus Fichter, Direktor des Borderstep Instituts, was nachhaltige Geschäftsmodellentwicklung bedeutet, wie dauerhafte und steuerbare Prozesse im Unternehmen zu etablieren sind und wie die betriebswirtschaftlichen Bedürfnisse mit den Ansprüchen anderer Interessensgruppen in Einklang gebracht werden können.

Gute Quellen zum Nachlesen der wichtigsten Begriffe aus der Nachhaltigkeitsdebatte sind das Glossar Nachhaltigkeit der IHK Lahn-Dill sowie das Dossier Nachhaltigkeit der Bundeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg.

Verwendete Quellen

Bocken, N.M.P., Short, S.W., Rana, P. & Evans, S. (2014). A literature and practice review to develop sustainable business model archetypes. Journal of Cleaner Production, 65, 42–56. doi:10.1016/j.jclepro.2013.11.039.

Fichter, K./ Clausen, J. (2013). Erfolg und Scheitern „grüner“ Innovationen – Warum einige Nachhaltigkeitsinnovationen am Markt erfolgreich sind und andere nicht, Marburg: Metropolis

Tiemann, I. und Fichter, K. (2014). Übersicht der Konzepte und Instrumente nachhaltiger Geschäftsmodellentwicklung, Oldenburg und Berlin.

Osterwalder, A., and Pigneur, Y. (2011). Business Model Generation:  Ein Handbuch für Visionäre, Spielveränderer und Herausforderer. Frankfurt am Main: Campus Verlag.

StartGreen ist das Online-Informations- und Vernetzungsportal für die grüne Gründungsszene in Deutschland. Hier informiert und vernetzt sich die grüne Gründungsszene (grüne Gründerinnen und Gründer, grüne Start-ups, grüne Investorinnen und Investoren und Finanzierende, nachhaltig orientierte Gründungszentren u.v.m.) um ihr Wissen und ihre Erfahrungen auszutauschen.

Dieses Projekt wurde gefördert durch
logos von 'Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz' und 'Nationale Klimaschutz Initiative'