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Fraunhofer zeigt innovative Anti-Eisfolie
© © Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB
Überall, wo Nässe und starke Kälte aufeinandertreffen, wird Eis schnell zum Störfaktor oder zur Gefahrenquelle. So können etwa Vereisungen auf den Rotorblättern von Windenergieanlagen Unwuchten erzeugen, die die Aerodynamik stören und erhebliche Schäden anrichten. Im Winter müssen Windräder deshalb beheizt oder abgeschaltet werden – was die Energieausbeute deutlich senkt. Auch Solarmodule und Stromleitungen müssen immer wieder teuer und aufwendig enteist werden.
Wenn Wasser bei null Grad nicht gefriert
Das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB hat ein Verfahren entwickelt, das die Eisbildung auf Oberflächen hemmt. Auf dem Green Innovation and Investment Forum 2017 im Stuttgarter Steinbeis-Haus zeigten Dr. Michael Haupt und sein Team eine selbstklebende Anti-Eis-Folie, die Vereisungen reduziert und die Eishaftung um bis zu 90 Prozent verringert. „In einer Vakuumkammer bringen wir auf einer Kunststofffolie eine nanostrukturierte Plasmaschicht auf, die dem Wasser keine Kristallisationskerne bietet. So gefriert das Wasser bei null Grad nicht, sondern erst bei sehr viel tieferen Temperaturen“, erklärte Haupt. Die oberflächenveredelte Folie sei nicht nur resistent gegen Eis und Schnee, sondern auch schmutzabweisend und einfach zu reinigen. Der Prozess zur Plasmamodifizierung von Oberflächen erlaube es auch, Objekte direkt zu beschichten, andere Materialien wie Lacke oder Metalle zu bearbeiten und sie mit weiteren Funktionalitäten wie Schutz vor Kratzern, Abrieb oder Korrosion auszustatten.
Premiere auf dem GIIF: intelligente, aktiv-passive Anti-Eis-Beschichtung
Auf dem Forum für grüne Gründer zeigte das Fraunhofer IGB den Praxiseinsatz der etwa 0,3 Millimeter dicken Folie anhand eines Windrads und eines Radoms. Radome sind Plastikabdeckungen, die Radar- oder Richtfunkantennen vor Umwelteinflüssen schützen. Erstmals stellte das Forscherteam auf dem GIIF zudem die jüngste Generation seines Beschichtungsverfahrens vor: Der Prozess kombiniert die passiv wirkende Plasma-Beschichtung mit einer Oberflächenprägung, die die Eishaftung noch weiter reduziert, und einen aktiv heizbaren Lack. Ein Windrad, das mit dieser Kombibeschichtung und Temperatursensoren ausgestattet ist, könnte flexibel auf wechselndes Wetter reagieren, indem es die Rotorblätter bei schweren Kälteeinbrüchen automatisch temporär beheizt. Der aktiv-passive Beschichtungs-Prozess befindet sich in der Entwicklungsphase.
Höhere Energieeffizienz, mehr Umweltschutz
„Bei Windrädern steigert die Plasma-Schicht die Energieeffizienz im Winter um bis zu 10 Prozent, da Heizenergie eingespart wird“, erklärte Haupt. Allein im Bereich Windenergieanlagen ist der Markt für die nachhaltige Plasma-Technologie des Fraunhofer IGB riesig: In Europa gibt es rund 93.500 Windräder mit einer Gesamtleistung von 148 Gigawatt – 25 Prozent mehr als noch im Jahr 2011. Grundsätzlich können Anti-Eis-Schichten überall dort zum Einsatz kommen, wo Material durch Schnee- und Eisanlagerung in seiner Funktion beeinträchtigt wird. Es lassen sich also auch Tragflächen und Rotorblätter von Flugzeugen mit der Folie schützen. Dadurch wäre laut Haupt eine signifikante Reduzierung der Umweltbelastung und des Energieverbrauchs möglich: „Der Einsatz von Enteisungsmitteln könnte reduziert und sowohl der Flugbenzinverbrauch als auch die CO2-Emissionen reduziert werden.“ Außerdem würde die Anti-Eis-Ausrüstung die Luftfahrtsicherheit erhöhen. Auch auf Hubschrauber, Solarpaneele, Stromleitungen, Gebäude, Kühlschränke,Kameralinsen selbstfahrender Autos, Kleidung oder Sportgeräte wie Skiern ließe sich die plasmabeschichtete Folie aufbringen.
Investoren und Partner gesucht
Den Machbarkeitsnachweis (Proof of Concept) hat die Anti-Eisfolie bereits erbracht: „Seit Jahren sind die Folien in Wien und Deutschland auf Windrädern im Einsatz. Auf dem Wendelstein steht ein oberflächenbehandeltes Radom“, berichtete Haupt. Ein serienreifer Prototyp existiert. Auf dem GIIF suchte das Forscherteam jetzt Kapital, um die Massenfertigung der Folie zu realisieren. Die Produktion möchte das Fraunhofer IGB in eine eigene Firma ausgründen.
Rund 700.000 Euro sollen in eine größere Vakuum-Beschichtungsanlage investiert werden. Insgesamt beträgt der Kapitalbedarf rund zwei Millionen Euro. „Zudem verfügen wir über ein Portfolio patentierter Verfahren zur Plasma-Beschichtung, das zur Lizenzierung an Partner aus Industrie und Mittelstand bereit steht“, sagt Haupt. Das Besondere an dem hochentwickelten Prozess: Die Beschichtung läuft bei sehr geringem Druck im Vakuum ab. Dadurch lassen sich Rauhigkeit und chemische Zusammensetzung sehr exakt einstellen und die Schichten hochkontrolliert auftragen. „Die Hürde für Nachahmer“, so Haupt, „ist also extrem hoch.“
Das Green Innovation and Investment Forum (GIIF) ist Mitglied des StartGreen Netzwerks und Finalist des StartGreen Awards 2016. Es unterstützt Wissenschaftler, Start-ups und Unternehmer mit smarten Business-Ideen für umweltschonende und nachhaltige Technologien.