„Man muss seine Vision immer wieder neu verkaufen, um das Vertrauen von Investoren zu gewinnen.“

 


 

Gründerinterview: ubitricity

Die ubitricity Gesellschaft für verteilte Energiesysteme wurde 2008 in Berlin gegründet. Das Unternehmen errichtet und betreibt ein virtuelles Stromnetz. Die Vision von ubitricity ist es, das Internet of Energy Things zu ermöglichen und bezahlbar zu machen.

 

StartGreen: Knut, was ist eigentlich mit dem "Internet of Energy Things" gemeint? Und was hat das mit E-Mobilität zu tun?

Knut Hechtfischer: Bei ubitricity verwenden wir mobile Zähler, damit man, wenn man sein Elektroauto irgendwo in eine Steckdose steckt, die Kosten dafür auf die richtige Rechnung schieben kann. Ausgangsfrage war hierbei, wie man ein Elektrofahrzeug, das man am Arbeitsplatz lädt, z.B. mit Strom vom eigenen Dach versorgen kann, oder wie man es organisieren kann, dass die Kosten für das Laden nicht auf der Stromrechnung des Arbeitgebers auftauchen.

Deshalb haben unsere Kabel einen integrierten Zähler mit Internetanschluss - sind also im besten Sinne energy things (IoT). Die Kommunikation zwischen Kabel und Internet führt dazu, dass man alles dabei hat, wo auch immer man ist, genauso wie wir es von Smart Phones kennen.

Wir haben im Grunde genommen die Telekommunikationskonzepte – bei denen der Netzzugang mit dem mobilen Endgerät, über Verträge und Tarife geregelt wird - auf Energie, beziehungsweise Elektrizität übertragen. Den Up- und Download von digitalem Content mit einem personalisierten Endgerät, einer sogenannten UID,  kennen wir ja alle. Die Frage die wir uns gestellt haben war, warum man eigentlich den Zugang zum Stromnetz, den Up- und Download von Elektrizität, anders organisieren sollte, wo es sich doch in der Telekommunikation bewährt hat.

 

Nachhaltigkeit

StartGreen: Nun spielt das Thema Nachhaltigkeit & Energiewende auch eine große Rolle bei ubitricity. Kann man den konkreten Nutzen von ubitricity für die Umwelt und kann man das auf irgendeine Art und Weise messen oder benennen?

Knut Hechtfischer: Wir glauben, dass das was wir tun von erheblichem Nutzen sein wird. In der Größe in der sich das momentan abspielt ist es noch nicht wirklich messbar. Die Idee des Internet of Energy ist es, die vorherrschenden hierarchischen Strukturen mit einer zentralen Erzeugungsanlage und einer top-down Verteilung in die Haushalte durch neuere Strukturen zu ersetzen. Durch die neuen Energieträger Wind und Sonne und die hohen Kosten für deren Speicherung wird eine bessere Steuerung des Verbrauchs notwendig.

Aus Kostengründen ist heute bei großen Anlagen schon gang und gäbe, dass man den Verbrauch steuert. Die Frage ist eher: Ab wann lohnt es sich den Verbrauch zu steuern? Und das ist natürlich davon abhängig wieviel es kostet. Heute lohnt es sich beispielsweise für ein Kühlhaus, aber nicht für die Waschmaschine. Deshalb ist es die Aufgabe für die Zukunft automatisierte Steuerungsmechanismen und Sensorik zu liefern. Die Konnektivität zwischen Haushaltsgeräten ist bereits möglich, was noch fehlt sind die Geschäftsmodelle. Heute endet das Abrechnen von Strom am Haushalt und wir haben Geschäftsprozesse entwickelt, wie man die Stromrechnung direkt ans "energy thing" hängt.

 

Geschäftsmodell

StartGreen: Kannst du das Geschäftsmodell von ubitricity beschreiben? Was genau ist das Alleinstellungsmerkmal?

Knut Hechtfischer: Alleinstellungsmerkmal ist der mobile Zähler im virtuellen Stromnetz. Und die Anordnung aus mobilem Zähler, der die die Steckdose an die man ihn dransteckt identifiziert und schaltet. Das ist erfreulicherweise in Europa und Asien auch patentgeschützt.

Und unser Geschäftsmodell heißt kurzumschrieben: Daten gegen Geld. In einem B2B2C – Modell (hierbei sind wir das erste B, das zweite B ist in Deutschland typischerweise der Stromlieferant), in dem wir dem Stromliferanten Daten zur Verfügung stellen, mit dem er seinen Kunden eine neue Dienstleistung anbieten kann, die wir „Mobilstrom“ nennen. Nach einem ganz ähnlichen Prinzip wie ein Mobiltelefon, soll man sich künftig von A, B oder C seinen Mobilstromvertrag aussuchen können, 24 Monate zusammen mit dem Mobilstromgerät und wir stellen alles was dafür bereit, was der Stromlieferant für dieses neue Mobilstromproduktes braucht. 

 

Finanzierung

StartGreen: Stichwort Finanzierung: Du hast eingangs schon bemerkt, ihr seid schlank gestartet. Trotzdem braucht man ab irgendeinem Punkt dann Finanzierung. Wie habt ihr Finanzierung erhalten und wie seid ihr jetzt aufgestellt?

Knut Hechtfischer: Ich glaube wir sind ein ganz klassischer Fall: Angefangen haben wir mit Bootstrapping, dann haben wir Unterstützung von einem Business Angel erhalten. Wir sind auch immer sehr konservativ mit unserem Geld umgegangen.

 

StartGreen: Würdest du aus der Retroperspektive sagen, das war ein guter Weg: Erst Bootstrapping, dann die Einbindung von Business Angels und schließlich VC-Investoren?

Knut Hechtfischer: Am besten wäre natürlich man hat ein dermaßen gutes Business, das man schon frühzeitig die sogenannten low hanging fruits ernten kann, man Innenfinanzierung hat, Umsätze generiert und frühzeitig wächst, um so wenig Fremdkapital wie möglich in Anspruch zu nehmen. Aber wir machen im Grunde genommen ja  Technologieentwicklung und da gibt es diesen Luxus nicht.

Ein weiterer Gedanke den ich noch teilen möchte, ist, dass es wichtig ist welchen Business Angel man sich an Board holt. Es dauert immer alles länger und wird teurer als man denkt und dann wird einem die eigene Idee auch mehr verwässert als man denkt. Deshalb ist es schon wichtig wie man startet.

 

StartGreen: Und wie findet man einen Business Angel? Helfen Netzwerke? Wo findet man Personen die einem außer Kapital auch Know-How vermitteln?

Knut Hechtfischer: Das ist die alltägliche Arbeit und man lernt nur aus Erfahrung. Ein jeder hat da auch seinen eigenen Stil und so lernt man auch die Investoren kennen, die zu einem passen. Jeder wird merken: Sie kommen nicht zu einem, sondern man selbst muss Klinken putzen und seine Vision immer wieder verkaufen um das Vertrauen von Investoren zu gewinnen.

 

Markteinstieg:

StartGreen: Natürlich muss man sich irgendwann auch am Markt beweisen. Wie war bzw. ist euer Markteintritt? Wie weit seid ihr am Markt etabliert und was können andere von euch lernen?

Knut Hechtfischer: Von uns kann man lernen, dass auch die schwierigsten Aufgaben - man hat uns zum Beispiel gesagt, es wäre aus technischen, rechtlichen sowie machtmäßigen Gründen unmöglich eine Rolle in diesem Prozess zu finden - machbar sind. Es braucht dafür aber sehr viel Arbeit. Der Traum, dass die Welt irgendwann aufwacht und sagt: „Das ist ja viel besser, das mach ich jetzt!“ - der ist ausgesprochen unwahrscheinlich. Besonders in konservativen, regulierten Industrien geht ohne Referenzen gar nichts. Die Aufgabe ist es, jahrelang die Willigen und die Neugierigen zu finden und dann mühsam einen Schritt nach dem anderen, von klein zu groß, zu gehen. Und mit jeder erworbenen Referenzen läuft das folgende Gespräch flüssiger. Nachdem wir verschiedene Referenzen aus dem gesamten Ökosystem erhalten haben, werden wir uns nun mit dem "Proof of Concept" im Rücken auf die Key Accounts stürzen.

 

StartGreen: Und wer sind dann eure Kunden?

Knut Hechtfischer: Die Energiewirtschaft, die diese neue Dienstleistung anbietet. Der Vertrieb muss allerdings nicht über diesen Kunden laufen. Automobile Flotten oder Automobilkonzerne können das natürlich schon direkt in den Kofferraum packen: Kabel mit Vertrag  nach Wahl beim Verkauf des Autos schon im Fahrzeug, das wäre der Königsweg. Eines Tages wird es keine Autos ohne mobile Zähler mehr geben und wenn es so weit ist, hoffen wir, dass wir mit dabei sind.

 

Empfehlung

StartGreen: Was ist deine persönliche Empfehlung an die Gründer der Green Economy?

Knut Hechtfischer: Den Enthusiasmus bewahren, weil man am Richtigen arbeitet. Das ist eine ganz wichtige Quelle für die Kraft, die man braucht. Es gibt nun mal Venture Fonds die sind voll auf Digital und E-Commerce fokussiert, mit dem man jeden Haushalt theoretisch in zwei Jahren erreichen kann. Da haben wir natürlich im Bereich Speicher und erneuerbare Energien ganz andere Horizonte. Aber alle, die hier bei ubitricity arbeiten, leiten aus der Tätigkeit und ihrer Richtigkeit ein gewisses Überlegenheitsgefühl ab. Wir machen das war wir machen und das macht richtig Sinn und wird richtig helfen. Und man darf sich auch gelegentlich dran erinnern warum man etwas macht, das ist gut.

 

StartGreen: Vielen Dank Knut für das spannende und lehrreiche Interview!

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