"Hirn in das stupide Stromnetz zu bringen, ermöglicht riesige Chancen"

 


 

Gründerinterview: Younicos

Herr Triebel gründete bereits im Jahr 1996 mit weiteren Ingenieuren des Kollektivs „Wuseltronik“ die Solon AG, einen der größten Solarmodulhersteller Europas. Seit 2006 beschäftigt er sich mit der Entwicklung und Erforschung von Speichertechnologien. Im selben Jahr gründete er Younicos,  ein Softwareunternehmen mit der  Vision einer hundertprozentigen Erneuerbaren Energieversorgung.

 

StartGreen: Herr Triebel, wer und was ist Younicos?

Triebel: Younicos ist aus dem Solarmodulhersteller Solon heraus entstanden. Dort hatten wir bereits im Jahr 2005 interne Diskussionen was passieren wird, wenn immer mehr erneuerbare Energien aufgebaut und ins Netz eingespeist werden.

Younicos ist genaugenommen ein Softwareunternehmen, das in der Lage ist alle Probleme, die zwischen einem Stromnetz und einer Energie speichernden Batterie entstehen können, zu lösen.

 

Nachhaltigkeit

StartGreen: Auf welche Weise leistet Younicos und Ihre Produkte einen positiven Beitrag für den Umweltschutz?

Triebel: Ich möchte das gerne ganz praktisch an unserem ersten großen Business-Case aufzeigen, den wir damals mit der Azoren-Insel Graciosa entwickelt haben. Unser Ziel war eine Reduktion von Dieselkraftstoffen. Graciosa hatte zu diesem Zeitpunkt circa 20 Prozent Windenergie im Netz; mehr war zu dieser Zeit technisch nicht möglich. Mit dem Zubau von Speichern konnten wir den Anteil an erneuerbaren Energien jedoch von 20 Prozent auf 60 Prozent erhöhen und somit einen erheblichen Anteil an Dieselkraftstoff einsparen.

Dieses Modell ist prinzipiell weltweit auf alle Inselstromnetze, in denen Diesel verwendet wird, übertragbar.  

 

StartGreen: Wenn ich es richtig verstanden habe, können also Batterien erneuerbare Energien speichern, wenn weniger gebraucht wird bzw. das Angebot höher ist als die Nachfrage und ins Netz übertragen falls mal wieder mehr verlangt wird?

Triebel: Richtig, in unserem europäischen Verbundnetz hat die Batterie die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass wir überhaupt in der Lage sind unsere alten, fossilen und nuklearen Kapazitäten in dem Maße abzuschmelzen, wie wir die Erneuerbaren zubauen. Im Moment brauchen wir nämlich das sogenannte alte System noch zur Frequenzstabilisierung auch dann, wenn Wind und Sonne alleine in der Lage wären ganz Deutschland zu versorgen.

 

Geschäftsmodell

StartGreen: Können Sie uns etwas über das Geschäftsmodell von Younicos erzählen? Auf welche Weise werden Umsätze generiert?

Triebel: In diesem Jahr haben wir die beiden größten europäischen Batteriekraftwerke gebaut (fünf Megawatt in Schwerin und ein sechs Megawatt-Kraftwerk in London). In beiden Kraftwerken haben wir durch unsere Software die komplette Kontrolle über alles was im Netz und in den Batterien vor sich geht. Der Softwareanteil am Gesamtumsatz in einem solchen Projekt ist sehr hoch.

Weitere Rollouts solcher Speicherkraftwerke sehen wir nicht nur in Europa, sondern im Wesentlichen auf der ganzen Welt. Es gibt zudem viele Länder in denen die Netzstabilität kritisch ist. Auch diese erkennen zunehmend, dass durch die Stabilisierung des Netzes mithilfe elektro-chemischer Speicher im Vergleich zu fossilen Kraftwerken viel Geld gespart werden kann. Ein wesentlicher Markt für Younicos sind beispielsweise  auch die USA, wo heute schon die Stabilisierung der Stromnetze nach Reaktionsgeschwindigkeit bezahlt wird.

 

StartGreen: Was ist dabei die „Unique Selling Proposition“ (USP), also das Alleinstellungsmerkmal des Unternehmens?

Triebel: Ich würde sagen, das Alleinstellungsmerkmal von Younicos ist lediglich unser früher Ansatz und den damit erarbeiteten technologischen Vorsprung. Also die Tatsache, dass wir uns bereits 2006 mit der Frage beschäftig haben, wie könnte ein Batteriekraftwerk - so groß wie eine Sporthalle – aussehen? Dabei war allein das Wort Batteriekraftwerk schon eine Innovation.

Zu diesem Zeitpunkt war der gesamte Fokus der Speichertechnologie einerseits nur auf die Hausspeicher oder eben auf den Speicher im Auto gerichtet. Niemand hat sich so früh gefragt, wie groß man skalieren müsste, um auch noch andere Herausforderungen zu lösen.

 

Finanzierung

StartGreen: Besonders am Anfang einer Unternehmensgründung, ist man von Kapitalgebern abhängig. Wie konnte sich Younicos bisher finanzieren?

Triebel: Es gab immer Menschen, zum Teil aus dem alten Investorenumfeld von Solon und Q-Cells, die gesagt  haben: „Wir müssen die Idee der erneuerbaren Energien in die nächste Generation tragen!“ Unsere Investoren glauben an die Idee, dass die erneuerbaren Energien sukzessive zunehmen und folglich auch weltweit große Speichersysteme benötigt werden.

Aus den Medien ist ja bekannt, dass ein Teil unserer Investoren auch aus dem SAP-Umfeld kommt. Dort glaubt man auch, dass Software und Energie in Zukunft noch viel stärker verbunden sein werden.

Das EEG-Gesetz selbst, also die Einspeisevergütung, hat für uns zunächst den Markt geschaffen. Die Investoren, die uns bereits seit Solon und Q-Cells begleitet haben, sind alle davon überzeugt, dass erneuerbare Energien das Thema des 21. Jahrhunderts ist.

 

Marktzugang

StartGreen: Wer sind die Kunden von Younicos?  Und wie konnten sie die ersten Kunden von ihrem Produkt überzeugen?

Triebel: Unser erster großer Kunde, für den wir sozusagen ein ganzes Batteriekraftwerk schlüsselfertig errichtet haben, war die WEMAG in Schwerin. Deren Geschäftsmodell ist der deutsche Primär- und Sekundärregelmarkt. Das heißt, man bekommt Geld dafür, dass man innerhalb kürzester Zeit auf das Netz reagiert und die Frequenz stabilisiert.

Die Geschäftsführer der WEMAG sind sehr innovativ und visionär. Sie glauben, dass sich der Besitz der ersten großen Batterie in Deutschland durch die Entstehung weiterer lukrativer Geschäftsmodelle auszahlen wird.

 

Empfehlung an grüne Gründer

StartGreen: Was hätten Sie denn für eine Empfehlung, Tipps für die Gründer der Green Economy?

Triebel: Ich tue mir sehr schwer ein Patentrezept für Start-ups zu geben. Ich glaube, dass ich in meinem Leben wahnsinnig viel Glück hatte, tolle Menschen kennenzulernen, die mit mir zusammen an eine Vision glaubten. „Sucht euch solche Menschen!“ wäre als Ratschlag - natürlich sehr platt.  

Mein Tipp: Einer Idee zu folgen und an bestimmte Themen, die möglicherweise noch sehr umstritten und visionär sind, zu glauben. Man hat immer gehört: „Das ist alles viel zu teuer!“

Ich denke man sollte sich von diesen permanenten Sachzwängen und Kosten, die da auf einen einprasseln, komplett lösen und versuchen das ganze weiter nach vorne zu spinnen und sich überlegen ab wann die Kosten 20 Prozent weniger betragen als heute. Dann entstehen völlig neue Welten.

Die Energiewelt wird sich komplett verändern, die Menschen werden elektrisch fahren, die Menschen werden Energie in ihren Häusern speichern, es werden überall Energiespeicher rumstehen. Ob das jetzt in fünf, zehn oder 20 Jahren passiert ist zunächst zweitrangig.

Ich glaube, dass alle Leute die sich an diesem Thema „Energiewende“ versuchen und eine große Mission haben, auch ganz viel erreichen können. Und das Thema verfügt noch über wahnsinnig viel Potential.

Momentan gibt ganz viele Start-ups rund um das Thema “Energie“, weil natürlich ein intelligentes Netz eine völlig andere Qualifikation erfordert, als die alte, zentrale Struktur der großen Kraftwerke. Diese Struktur wird sich allmählich komplett auflösen und ermöglicht riesige Chancen für Gründer, die versuchen Hirn in dieses stupide Netz zu bringen.

Dabei wünsche ich allen die das tun wollen, großen Erfolg!

 

StartGreen: Ich glaube, dass zeigt wirklich gut, dass es besonders für grüne Start-ups wichtig ist, an eine Vision zu glauben, eine Idee zu haben und das Produkt konsequent weiterzuentwickeln.

Vielen Dank für das Gespräch Herr Triebel

StartGreen ist das Online-Informations- und Vernetzungsportal für die grüne Gründungsszene in Deutschland. Hier informiert und vernetzt sich die grüne Gründungsszene (grüne Gründerinnen und Gründer, grüne Start-ups, grüne Investorinnen und Investoren und Finanzierende, nachhaltig orientierte Gründungszentren u.v.m.) um ihr Wissen und ihre Erfahrungen auszutauschen.

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