Nachrichten

Vom Konzept zur Umsetzung in Ruanda
© © Rolf Schulten - Borderstep
Das Start-up RecyCoal aus Aachen siegte beim #SGA17 in der Kategorie Gründungskonzept. Die Idee: Ein System, das Bioabfälle in Kohle verwandelt und so das Problem Household-Air-Pollution (HAP) lösen hilft. StartGreen sprach mit dem Team über die Umsetzung ihrer Idee in Afrika und den Mehrwert von Wettbewerben.
Was genau ist die Unternehmensidee von RecyCoal?
Wir haben ein einfaches System entwickelt, bestehend aus einem modifizierten Ölfass und einem aufgesetzten Afterburner, in dem man Bioabfälle zu Kohle pyrolysieren kann. Diese kann entweder verkauft oder aber für den eigenen Gebrauch genutzt werden. Damit ersetzt sie das in ärmeren Ländern häufig verwendete Holz zum Kochen und Heizen. Unser Ziel ist es, dieses Konzept mit möglichst vielen zukünftigen Entrepreneuren in Entwicklungsländern aufzubauen und somit Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten.
Welche Mission verfolgt ihr? Auf welche Weise leistet ihr einen positiven Beitrag für die Umwelt?
Rund ein Drittel der Weltbevölkerung kocht noch heute mit festen Brennstoffen, allen voran Holz. Obwohl in vielen afrikanischen Ländern inzwischen die Abholzung zur Brennholzgewinnung illegal ist, verschwinden jedes Jahr fast 3 Millionen Hektar bedrohter Regenwald. Die Folgen sind Wüstenbildung, Erosion und der Verlust der Artenvielfalt. Aber nicht nur die Natur, sondern auch die Menschen leiden: Alle 8 Sekunden stirbt laut WHO jemand an den Folgen der Rauchbelastung, die durch das Verbrennen von Holz in den Hütten entsteht; allen voran Kinder und Frauen. Umso schlimmer ist es, dass Familien trotzdem ein Drittel ihres Monatseinkommens für die Brennstoffe ausgeben müssen, die sie so krank machen. Unsere Mission ist es, mit unserer günstigeren und deutlich sauberer verbrennenden Kohle eine Alternative zu Holz anzubieten und somit eine wirtschaftlich sinnvolle und damit nachhaltige Lösung für diese drei Missstände zu finden.
Wie sieht euer Geschäftsmodell aus?
Da wir an das Prinzip der Selbsthilfe glauben, sehen wir uns nicht als Entrepreneure, sondern eher als Unterstützer, die Starthilfe geben. Wir wollen unsere Partner, die Farmer‘s Kooperativen, mit Workshops schulen und gemeinsam die Erstimplementierung durchführen. Dazu verwenden die Kooperativen ihren bisher ungenutzten Bioabfall und pyrolysieren ihn zur Kohle, welche sie dann auf den Märkten verkaufen können. Die Kohle kann zu einem geringeren Marktpreis als üblich verkauft werden. Trotzdem kann man mit dem Produkt einen neuen, vollbezahlten Arbeitsplatz einführen und zusätzlich noch einen Gewinn von einem ganzen Monatsgehalt pro Arbeiter und Monat erzielen.
Was ist dabei euer Alleinstellungsmerkmal?
Unser Alleinstellungsmerkmal liegt in unserem simplen und damit universell einsetzbaren System und der damit verbundenen enormen Skalierbarkeit unseres Projektes. Durch die Verarbeitung von ausschließlich einfachen Materialien in unserem Prototyp ist unser Projekt rohstoffbezogen nicht nur überall umsetzbar, sondern birgt durch eine geringe Anfangsinvestition auch kaum Risiko für den jeweiligen Unternehmer.
Im Mai 2018 habt ihr angefangen euer Konzept komplett in Kigali (Ruanda) umzusetzen. Was waren dabei bisher die größten Herausforderungen?
Jeder, der aus Europa kommt und ein Projekt in Afrika umsetzen will, muss darauf vorbereitet sein, dass die Arbeitsstrukturen sich in manchen Punkten deutlich unterscheiden. Wir haben das Glück, einen sehr zuverlässigen und motivierten Partner gefunden zu haben. Trotzdem gibt es Phasen, in denen die Implementierung eher schleppend vorangeht, ohne dass wir daran etwas ändern können. Schuld daran sind hauptsächlich bürokratische Strukturen und die langen Kommunikationswege. Alles in allem sind wir jedoch sehr zufrieden mit dem Fortschritt unseres Projektes vor Ort und sehen der Zukunft optimistisch entgegen.
Wer übrigens den Stand der Dinge verfolgen will, kann gerne auf unserer Facebook-Seite vorbeischauen: Dort berichten wir zweimal wöchentlich mit der Posting- Reihe „Post aus Ruanda“ über Neuigkeiten.
2017 wart ihr Sieger des StartGreen Awards in der Kategorie Gründungskonzept. Welchen Mehrwert hatte die Teilnahme an dem Wettbewerb für RecyCoal?
Der Wettbewerb hat uns in vielerlei Hinsicht sehr geholfen. Zum einen ermöglichte uns die finanzielle Unterstützung, Flüge zu buchen und jetzt vor Ort genug Projektbudget zur Verfügung zu haben. Zum anderen bewirkte aber auch die Reichweite, die wir durch diesen Sieg bekommen haben, einiges: Viele Stiftungen, Firmen und Einzelpersonen haben sich bei uns gemeldet und eine Kooperation angeboten oder wichtige Informationen mit uns geteilt. Nicht zuletzt war der Tag des Finales durch den interessanten Austausch unter den Finalisten und dem abwechslungsreichen Programm rundum gelungen. Dafür sind wir sehr dankbar und können jedes Projekt nur dazu ermutigen, auch beim StartGreen Award teilzunehmen.
Welche Tipps habt ihr für die diesjährigen Bewerberinnen und Bewerber des StartGreen Awards?
Investiert genug Zeit in eure Bewerbung und seht es als große Chance an, Teil dieser Community zu werden. Wenn ihr das Glück habt für das Public Voting ausgewählt zu sein, mobilisiert so viele Menschen wie ihr könnt. Alleine für den Finaltag in Berlin lohnt sich die Arbeit. Natürlich wünschen wir allen Bewerberinnen und Bewerbern viel Erfolg!
Und zu guter Letzt: wie sieht eure langfristige Vision für RecyCoal aus?
Unser großes Ziel ist es, möglichst viele Menschen auf die angesprochenen Probleme aufmerksam zu machen und mit unserer Lösung zu erreichen. Wir wünschen uns, dass der Begriff HAP (Household- Air-Pollution) irgendwann genauso als Gefahr wahrgenommen wird wie zum Beispiel HIV und auch genauso stark bekämpft wird. Schließlich kostet es in vielen Ländern deutlich mehr Menschen tagtäglich das Leben. In den nächsten Monaten und Jahren wollen wir zunächst unseren Pilotstandort erfolgreich abschließen und dann die Idee „RecyCoal“ in weitere Länder tragen. Wir haben bereits viele Anfragen, beispielsweise aus Madagaskar und Gambia. Um dieses Ziel zu erreichen, sammeln wir momentan Spenden, die wir für weitere Projektimplementierungen verwenden wollen.