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Start-ups: Gründen als Lifestyle?
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Schon seit Jahren geht die Zahl der Gründungen zurück. Die Kurzformel dazu lautet: gute Konjunktur = weniger Gründungen: Ein Zusammenhang, der schon seit Jahrzehnten immer wieder zu beobachten ist. Nur diesmal scheint etwas anders zu sein: Vor allem im IT- und Kreativbereich schwimmt eine quicklebendendige Start-up-Szene gegen den Strom.
Nimmt man die Fülle der Presseberichte als Maßstab, könnte man vermuten, dass täglich landauf, landab neue und erfolgreiche Start-ups gegründet werden. Ganz klar: Dem ist nicht so. Der Bundesverband Deutsche Startups geht für 2015 von 6.000 Start-ups deutschlandweit aus. Das ist nicht viel, wenn man die Zahl von über 3,6 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen und rund 382.000 gewerblichen und freiberuflichen Gründungen in 2015 (IfM Bonn) dagegen hält. Dennoch stürzt sich die Presse auf die jungen „digitalen Wilden". „Wobei die Medien das Ganze derzeit ein wenig überdrehen“, meint Sascha Schubert. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes Deutsche Startups e.V. „Erfolgreiche Gründer werden ja irgendwie schon wie Popstars behandelt. Einige werden da schon als die Marc Zuckerbergs oder Jeff Bezos von morgen gehandelt. Dabei gibt es Leute, die hier in Berlin seit Jahren rumspringen – ich weiß gar nicht, wovon die leben – und immer wieder eine neue Idee haben und es mit der Gründung nicht ganz so ernst meinen.“
Ernst wird es erst, wenn aus dem Wannapreneur, also dem „Möchtegern-Unternehmer“ tatsächlich ein Entrepreneur wird. Das geschehe, so Schubert, spätestens dann, wenn Kapitalgeber ins Spiel kommen. „Wenn die Gründer Investoren von ihrer Idee überzeugen müssen, um eine Finanzierung zu erhalten, zählen nur fundierte Argumente und nachvollziehbare Zahlen. Da steckt viel Arbeit dahinter und dabei wird aus dem Möchtegern-Unternehmer schnell ein ernsthafter Entrepreneur.“ Und vielleicht sogar irgendwann ein erfolgreicher Mittelständler.
Ökosysteme lassen Start-ups aufblühen
Dass diese Wandlung vom Wannapreneur zum Entrepreneur in der Regel funktioniert, hat auch mit den so genannten Ökosystemen oder Hotspots zu tun, die vor allem in Berlin, Hamburg, Stuttgart, Karlsruhe, München oder auch der Region Rhein-Ruhr entstehen. „Diese Hotspots entstehen dann“, sagt Sami Bettaieb von der Start-up-Unit bei der IHK Berlin, „wenn eine kritische Masse an Akteuren, Dienstleistern und auch Mentoren zusammengefunden haben. Dabei entsteht an diesen Hotspots eine Art Schwarm-Begeisterung, die sich auf die gesamte Gründer-Community auswirkt, unterstützt von einer Schwarm-Intelligenz aus Beratern, Investoren, potenziellen Partnern und vor allem jeder Menge anderer Gründerinnen und Gründer.“
Quelle: Deutscher Start-up Monitor 2015
Insgesamt bringen der enge Austausch, die Vernetzung und zahlreichen Events tatsächlich frischen Wind ins deutsche Gründungsklima, in dem ansonsten ja eher Flaute herrscht. „Es ist eine Gründer- bzw. Start-up-Szene entstanden, die es vorher so in Deutschland nicht gab", sagt Prof. Dr. Nils Högsdal von der Hochschule der Medien in Stuttgart. Den Stein ins Rollen gebracht haben dabei nicht zuletzt die zahlreichen Erfolgsbeispiele aus den USA. Die Gründer von Google, Facebook oder Amazon im sonnigen Kalifornien haben in den letzten Jahren dazu beigetragen, dass eine Karriere als Unternehmer auch für Berufsanfänger oder Studierende in Berlin, Karlsruhe, Hamburg oder München immer vorstellbarer wird.
Dabei haben sie nicht selten auch schon den US-amerikanischen Markt im Blick und bewerben sich zum Beispiel beim German Accelerator, der Gründern aus den Informations- und Kommunikationstechnologien sowie den Life Sciences einen mehrmonatigen Aufenthalt in den USA ermöglicht. Oder sie nehmen an Wettbewerben wie dem South by Southwest in Texas teil. Dessen begehrter Gründerpreis ging in diesem Jahr sogar an ein Start-up aus Berlin. „Wobei sich das bisher noch nicht auf die tatsächlichen Gründungszahlen auswirkt. Dennoch ist auf jeden Fall positiv festzuhalten, dass vor allem bei den Jüngeren die gerade in Deutschland weit verbreitete Angst vor dem Risiko einer Unternehmensgründung nicht mehr so stark vertreten ist", freut sich Prof. Högsdal.
Digitalisierung als Gründungstreiber
Apps, Games, digitale Vernetzung oder auch eMobility: Vor allem die Digitalwirtschaft ist eine Inspirationsquelle für jeden IT-affinen Gründer. „Wir erleben heute mit der Digitalisierung einen Paradigmenwechsel. Dieser Paradigmenwechsel bringt, wie seinerzeit der Paradigmenwechsel zur Industrialisierung, eine Gründerzeit mit sich. Weil er einfach viele unternehmerische Chancen im Gepäck hat“, ist Sascha Schubert überzeugt. Nicht zuletzt deswegen wird die unternehmerische Selbständigkeit heute gerade an Hochschulen mehr als bisher als berufliche Option wahrgenommen. Und sie wird durch entsprechende Rahmenbedingungen unterstützt. Dazu hat nach Einschätzung von Prof. Nils Högsdal auch der Bologna-Prozess beigetragen – wenn auch eher unbeabsichtigt: „Wir wissen, dass es für etwa ein Viertel der Bachelor-Absolventen keine direkt anschließenden Masterstudiengänge gibt. Die Zeit zwischen Bachelor und Master nutzen daher viele, um erste berufliche Erfahrungen zu sammeln. Dazu kann auch die Gründung eines Start-ups gehören. Dabei haben wir es mit jungen Gründerinnen und Gründern im Alter von Anfang, Mitte 20 zu tun. Die haben noch keinen finanziellen Druck und keine familiären Verpflichtungen und können tatsächlich ihre Ideen ausprobieren - unterstützt von guten Betreuungs- und Förderangeboten wie beispielsweise dem BMWi-Förderprogramm EXIST".
Den wenigsten Gründerinnen und Gründern kommt es dabei darauf an, viel Geld zu verdienen. An erster Stelle steht vielmehr die Umsetzung der eigenen Ideen. Prof. Nils Högsdal: „Wir haben es mit der Generation Y zu tun. Die sind technologieaffin, sind mit Internet und mobiler Kommunikation aufgewachsen und arbeiten bevorzugt in Teams. Denen geht es weniger um Status und Geld, sondern um sinnvolle Arbeit, Freizeit und Familie." Hinzu kommt der Wunsch, Erwerbsbiographien flexibler zu gestalten und dabei häufiger zwischen einer selbständigen und angestellten Tätigkeit zu wechseln. Bleibt nur abzuwarten, inwiefern sich die Erwartungen und Ansprüche an die eigenen Erwerbs- und Lebensmodelle erfüllen und ob sie von den Gründern von heute auch mit zunehmendem Alter noch angestrebt werden. Wie auch immer: In jedem Fall ist es ihnen gelungen, dass das Thema „Unternehmensgründung“ in der deutschen Presse für Schlagzeilen sorgt.
Weitere Informationen:
- KPMG
3. DSM Deutscher Startup Monitor 2015 - Institut für Mittelstandsforschung Bonn
Institut für Mittelstandsforschung Bonn - KfW Bankengruppe
KfW-Gründungsmonitor 2015 - Startup Compass Inc
The Global Startup Ecosystem Ranking 2015
Dieser Artikel stammt aus dem eMagazin "erfolghoch2" (Ausgabe Juni 2016) des Existenzgründerportals des BMWi. Hier finden Sie den Artikel.