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SIRPLUS: Rettermärkte als Signal gegen Lebensmittelverschwendung

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In aller Kürze: Was ist eure Unternehmensidee?

Lebensmittel retten zum Mainstream machen.

Welche Mission verfolgt ihr? Auf welche Weise leistet ihr einen positiven Beitrag für die Umwelt oder Gesellschaft?

Unsere Mission ist, Lebensmittelverschwendung zu stoppen. In den nächsten 10 Jahren wollen wir 5 Millionen Tonnen Lebensmittel in über 15 Ländern retten. Aktuell wird weltweit ein Drittel aller Lebensmittel verschwendet. Mit diesen könnten 3 Milliarden Menschen ernährt werden. Die unnötige Verschwendung ist zudem ein regelrechter Klimakiller. Wäre Lebensmittelverschwendung ein Land, wäre es nach China und den USA der drittgrößte CO2-Emittent. 

Wie kam euch die Idee zur Gründung?

Als Raphael Fellmer 2009 erfuhr, dass die Hälfte aller Lebensmittel in Europa verschwendet wird, wurde er zum Mülltaucher. 2010 begann er seinen 5 ½ jährigen Geldstreik, um Bewusstsein für die Lebensmittelverschwendung zu schaffen. Seit 2011, als Raphael die Lebensmittelretter-Bewegung (später foodsharing) gegründet habe, haben Martin Schott und er daran gearbeitet, die Lebensmittelverschwendung zu beenden. Sirplus ist unglaublich stolz auf das, was die foodsharing-Bewegung mit mittlerweile über 60.000 Ehrenamtlichen auf die Beine gestellt und an gesellschaftlicher Wirkung erzielt hat.

Nach ein paar Jahren hatte sich foodsharing gut etabliert und das Modell, das Freiwillige kistenweise  Lebensmittel von Supermärkten, Bäckereien, Restaurants etc. abholen, funktionierte auch in großem Maßstab gut. So überlegten Raphael und Martin, welche weiteren Kanäle überschüssiger Lebensmittel es noch gibt. Immer wieder wurden foodsharing riesige Mengen angeboten, also Paletten von Lebensmitteln, die innerhalb der geldfreien und ehrenamtlichen Struktur gar nicht bzw. nur mit einem unglaublichen Kraftakt gerettet werden konnten. Dafür musste eine Lösung her. Außerdem wurde immer klarer, dass leider viele Menschen nicht genug Zeit ehrenamtlich investieren können oder auch wollen, aber eigentlich sehr gern Lebensmittel retten würden. 

Wir wollten gerettete Lebensmittel so einfach und praktisch wie nur möglich für alle Menschen verfügbar machen und gleichzeitig eine Logistik im Hintergrund aufbauen, die paletten- und LKW-weise Lebensmittel bewältigen kann. So wurde uns klar, dass wir uns von der Geldfreiheit bzw. dem geldreduzierten Ansatz, den wir in foodsharing sehr großgeschrieben hatten, schweren Herzens verabschieden mussten. Um allen Menschen Lebensmittel anzubieten und Logistik, Läden usw. bezahlen zu können und dieses Konzept auch schnell wachsen zu lassen, konnten wir uns nicht mehr auf Spenden und kostenlose Geräte, Dienstleistungen etc. stützen. 

So haben wir uns entschieden, gerettete Lebensmittel in sogenannten Rettermärkten und im Onlineshop zu verkaufen, um das Lebensmittelretten zum Mainstream und für jedermann und jederfrau ganz einfach zu machen. Über 1700 Menschen haben die 1. Crowdfunding Kampagne von SIRPLUS unterstützt, dank der wir im September 2017 unseren 1. Rettermarkt in Berlin eröffnen konnten.

Wie sieht euer Geschäftsmodell aus? 

Wir kaufen überschüssige, aber bestens genießbare Lebensmittel von Produzenten, Zwischenhändlern und Landwirten und bringen sie über unsere Rettermärkte und unseren Onlineshop zurück in die Wertschöpfungskette. Durch unsere Bildungsarbeit wollen wir auch das Umdenken in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vorantreiben.

Was ist euer Alleinstellungsmerkmal?

Wir retten Lebensmittel im großen Stil und machen sie jedem zugänglich. Eine win-win-win-Situation für Produzenten, Konsumenten und unseren Planeten! Als Social Impact Startup ist es uns wichtig, nicht nur mit unseren Kunden und Partnern Lebensmittel zu retten, sondern vor allem gesellschaftliches Bewusstsein für die Wertschätzung aller Lebensmittel zu schaffen. Bisher haben wir fast 1 Million Euro in SIRPLUS investiert und keinen Euro dabei verdient. Zukünftige Gewinne werden wir zu 80 Prozent in SIRPLUS und andere nachhaltige und soziale Startups, Organisationen und Projekte stecken.

Gibt es bestimmte Herausforderungen speziell in eurer Branche?

Es gibt ein großes Missverständnis: Das Mindesthaltbarkeitsdatum heißt nicht “sofort tödlich ab”! Im Gegensatz zum Verbrauchsdatum, mit dem z.B. frisches Fleisch oder Schnittsalat gekennzeichnet werden muss, ist das MHD nur eine Verzehrempfehlung des Herstellers. Viele scheuen sich leider trotzdem, abgelaufene Lebensmittel zu essen, obwohl diese noch bestens genießbar sind. Genau das wollen wir ändern und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in der Welt!  

Wie sieht eure langfristige Vision aus?

Wir haben die Vision von einer Welt, in der niemand Hunger leiden muss und alles produzierte Essen gegessen wird. Wir werden wir alles tun, um so viele Lebensmittel wie möglich zu retten und möglichst viele Menschen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik zu erreichen! Wir werden nächstes Jahr unsere Rettermärkte durch ein Franchisekonzept nach ganz Deutschland bringen und bis 2024 in über 5 Ländern mit Rettermärkten und Onlineshop aktiv sein. 2020 werden wir außerdem mit unserer Eigenmarke gerettete Lebensmittel bei Landwirten und Produzenten haltbar machen, durch Kreationen wie z.B. Tomatenpüree bei Tomatenüberproduktion, Bier aus gerettetem Brot oder Snacks aus Überproduktion. Denn in den Produktionsprozessen fallen systematisch Rohstoffe an, die z.B. geschmacklich oder farblich nicht exakt den Vorgaben entsprechen, aber lebensmittelhygienisch absolut einwandfrei sind und nur einen weiteren Aufbereitungsschritt benötigen, um vor der Verschwendung bewahrt werden zu können. Diese Produkte werden wir dann im großen Stil in den Einzelhandel bringen und damit gerettete Lebensmittel aus der Nische in die Mitte der Gesellschaft bringen. Sobald wir finanziell in der Lage sind, wollen wir noch mehr Geld in die Bildung und in Lobbyarbeit stecken, damit auch auf politischer Ebene, z.b. steuerlich, die Weichen gestellt werden für eine Zukunft ohne Lebensmittelverschwendung. Unser Ziel ist mehr Achtsamkeit und Wertschätzung gegenüber allen Lebensmitteln und Ressourcen. 

Und zu guter Letzt: Warum wollt ihr den StartGreen Award 2019 gewinnen? 

Wir wollen mehr Menschen für die Lebensmittelwertschätzung sensibilisieren und zum Retten bewegen. Allein in Deutschland werden jährlich über 18 Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet. Das entspricht einer LKW-Ladung pro Minute! 10 Millionen Tonnen dieser Lebensmittelabfälle sind vermeidbar und 50 Prozent aller vermeidbaren Abfälle entstehen bei den Endverbrauchern in deutschen Haushalten. Um das zu ändern, kann jeder einen kleinen, aber entscheidenden Beitrag leisten! Eine kürzlich veröffentlichte Forsa-Studie bestätigt uns darin, dass Berichterstattung und Aufklärung zu einem bewussteren Umgang mit Lebensmitteln führen. Der StartGreen Award würde uns helfen, mehr Menschen für das Lebensmittelretten zu begeistern.

 

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StartGreen ist das Online-Informations- und Vernetzungsportal des Borderstep Instituts für die grüne Gründungsszene in Deutschland. Hier informieren und vernetzen sich grüne Gründerinnen und Gründer, grüne Start-ups, grüne Investorinnen und Investoren und Finanzierende, nachhaltig orientierte Gründungszentren u.v.m. um ihr Wissen und ihre Erfahrungen auszutauschen.

Dieses Projekt wurde gefördert durch
logos von 'Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz' und 'Nationale Klimaschutz Initiative'