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RecyCoal im Interview

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RecyCoal im Interview

 

Worum geht es in Ihrem Projekt?

Täglich sterben in Entwicklungsländern unzählige Menschen an Rauchgasintoxikation, als Folge der Kochtätigkeit über offenen Feuern in ihren Behausungen. Das Ziel von RecyCoal ist die Herstellung von einem in Relation zur konventionellen Holzkohle günstigeren Substitut, welches durch Pyrolyse von ungenutzter Biomasse gewonnen werden soll. Bei diesem Ansatz werden die meisten Schadstoffe bereits während des Pyrolyseprozesses eliminiert, wodurch bei der anschließenden Verwendung der RecyCoal-Kohle weniger toxische Rauchgase entstehen.

 

Wie kam Ihnen die Idee zu Ihrem Vorhaben?

Vielen ländlichen Regionen in Entwicklungsländern fehlt der Zugang zu Elektrizität, weshalb die Bevölkerung dort zum Kochen und Heizen auf primitive Brennstoffe angewiesen ist. Bei der unkontrollierten Verbrennung von Holz entstehen jedoch toxische Rauchgase, die sich im Inneren des Hauses akkumulieren und die Atemwege schädigen. Auf Grund resultierender chronischer Belastungen sterben weltweit jährlich bis zu 4,3 Millionen Menschen an Household Air Pollution. In Ruanda, unserem primären Implementierungsgebiet, sind alleinig 5.640 Personen betroffen, davon 94 % Kinder.
Neben den gesundheitlichen Folgen führt die Nutzung von Holz als Brennmaterial zur Rodung des Regenwaldes, welche sowohl negative Auswirkung auf das Klima hat, als auch die Erosion des Bodens vorantreibt.
Auf diese Missstände wurde ein ruandisches Teammitglied aufmerksam, wodurch das Projekt RecyCoal ins Leben gerufen wurde.

 

Wie lösen Sie das Problem?

Zur Bereitstellung eines Ersatzbrennstoffes, der dem Anforderungsprofil an eine schadstoffarme Verbrennung entspricht, arbeitet RecyCoal nach dem Prinzip der Pyrolyse. Hierbei kann feste, organische Trockensubstanz unter Einfluss von Wärme und Ausschluss von Sauerstoff zu energiereicher Brennsubstanz veredelt werden. Während des Prozesses spalten sich flüchtige Kohlenwasserstoffe ab, die nach Austreten aus dem System oxidieren und so unschädlich gemacht werden. Als Endprodukt verbleibt Pyrolysekoks, dessen Brennwert sich gegenüber dem als Edukt um ein Vielfaches erhöht hat.

 

Wie erfolgt die Projektumsetzung vor Ort?

RecyCoal legte bei der Entwicklung eines geeigneten Pyrolyse-Systems besonders Wert auf die Verwendung von lokal verfügbaren und kostengünstigen Bauteilen. Als Basisstück des final konzeptionierten Pyrolyseofens dient ein handelsübliches 210 Liter Stahlfass, das durch unkomplizierte Umbauarbeiten mit einem Zentralrohr und einem Nachbrenner modifiziert wird. Bei Anwendung des Ofens wird das Fass zunächst mit Biomasse beschickt, anschließend mittels eines in Benzin getunkten Stoffstückes gezündet und verschlossen. Der Pyrolyseprozess stellt sich daraufhin selbstständig ein und endet nach etwa zwei Stunden und vollständigem Gasausbrand. Die produzierte Kohle kann nach Abkühlen des Ofens entnommen und gegebenenfalls zur gewünschten Brikettform gepresst werden.

 

Wer hat Sie dabei unterstützt?

Das Projekt lebt vor allem durch den Beitrag der Projektmitglieder und Enactus Aachen e.V. mit deren persönlichen Unterstützern. Eine wichtige Beratungsfunktion übt die RWTH Aachen aus. Im Rahmen eines vom Bundesinstituts für Bildung und Forschung gesponserten Projekts erfolgt die erfolgreiche Kooperation mit dem AT-Verband, der uns mit dem in Kigali ansässigen Recycling-Abfallunternehmen COPED einen lokalen Kooperationspartner liefert. Durch die Zusammenarbeit mit dem AT-Verband konnte das Projekt erst den jetzigen Standpunkt erreichen.

 

Welche Geldquellen haben Sie gesucht? Wie konnten Sie Investoren überzeugen?

Derzeit steht das Projekt noch in den Startlöchern, sodass die Suche nach Investoren erst begonnen hat. Bisherige finanzielle und materielle Unterstützung lieferten die oben genannten Partner. Durch unser innovatives Konzept konnten wir allerdings Erfolge bei Gründerwettbewerben wie „Generation D“ feiern.

 

Welche Herausforderungen sehen Sie an Ihrem Beispiel für grünes Gründen in Deutschland?

RecyCoal arbeitet nach der Maxime des Social Entrepreneurship, und ist zusätzlich der Gemeinnützigkeit verpflichtet, was uns vor einige Herausforderungen in der Projektentwicklung gestellt hat. Besonders in den Bereichen Fundraising und Marketing erwies es sich als schwierig, potenzielle Stakeholder zu akquirieren, da von Seiten RecyCoals selber keine Gründung geplant ist. Das Unternehmenskonzept wird an Menschen in Regionen mit niedrigem Entwicklungsniveau abgegeben, um ihre Lebenssituation nachhaltig zu verbessern. Unser Projektteam erwirtschaftet somit in Deutschland keinen Gewinn, sondern nur der RecyCoal-Entrepreneur. Auf diese Weise wird ein größerer sozialer Nutzen erreicht, jedoch ist die Rendite von investiertem Kapital für Dritte nicht so leicht nachvollziehbar wie bei traditionellen Start-Ups.

 

Was leistet Ihr Projekt für den Klimaschutz? Wie trägt es zum Wandel in der Gesellschaft bei?

Jährlich sinkt die weltweite Waldfläche um etwa 5,6 Mio. Hektar, insbesondere sind die Tropen betroffen. Holz ist für viele Afrikaner der ärmeren Bevölkerungsschicht ein unentbehrlicher Rohstoff. Es ist lokal erhältlich, in riesigen Mengen vorhanden und vor allem kostenlos. Selbst vor einem Abholzungsverbot schrecken viele Afrikaner nicht zurück, da die ärmere Bevölkerungsschicht sich meist keinen anderen Brennstoff zum Kochen leisten kann. RecyCoal nimmt sich dieses Problems an, indem das Projekt einen alternativen als auch günstigen Brennstoff auf den lokalen Markt bringt und das Grundeinkommen der betroffenen Bevölkerungsschicht erhöht. Jeder dadurch nicht abgeholzte Baum trägt zur Stabilisation des Klimas durch Verminderung des Kohlenstoffdioxidgehaltes der Atmosphäre bei und wirkt auch gleichzeitig der zunehmenden Desertifikation entgegen.

 

Welches Geschäftsmodell steckt hinter Ihrem Vorhaben?

Der Erfolg des Projekts hängt von dem Verkauf der eigens produzierten RecyCoal-Briketts ab, welche kostengünstiger als die konventionelle Holzkohle auf dem Markt angeboten wird. Die Produktion dieser Briketts soll durch Farmers‘ Cooperatives (lokale Kleinbauernverbände) erfolgen. Beginnend in Kigali werden durch die Farmers‘ Cooperative Pyrolyse-Systeme installiert und Personal zur Betreibung dieser geschult. Das System amortisiert sich bereits nach vier Monaten und erwirtschaftet von da an monatlich einen Umsatz von rund 27 €, wenn 10 Pyrolyse-Prozesse monatlich durchgeführt werden. Dies entspricht einer 35-prozentigen Erhöhung des durchschnittlichen Grundeinkommens.

 

Was ist dabei Ihr Alleinstellungsmerkmal?

Unser Alleinstellungsmerkmal liegt in der Natur unseres Ventures: Wir sind kein klassisches Start-up, sondern Teil eines gemeinnützigen Vereins. Wir ermöglichen nach dem Grundsatz des Social Entrepreneurship auch für Menschen in Entwicklungsländern den Zugang zur Welt des Unternehmertums, die auf diese Weise ihr wirtschaftliches Potenzial maximieren und ihre Lebenssituation ohne viele der Risiken herkömmlicher Start-ups nachhaltig verbessern können. Dass die RecyCoal-Kohle aus entbehrlichen Abfällen und nicht aus schutzbedürftigen Regenwaldbeständen hergestellt wird, verschafft unserem Produkt weiterhin ein Image-Plus gegenüber der traditionellen Holzkohle.

 

Warum wollen Sie den StartGreen Award 2017 gewinnen?

Der Gewinn des StartGreen Award würde uns in dieser entscheidenden Implementierungsphase signifikant voranbringen, insofern dass ein Großteil der finanziellen Unterstützung in die laufenden Analysekosten für die chemische und technische Optimierung des Produktes fließt. Zusätzlich erhoffen wir uns durch die Wettbewerbsplattform, die Thematik der weltweiten hohen Sterberate durch Rauchgasintoxikation der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich zu machen und sie dafür zu sensibilisieren. Trotz der deutlich höheren Opferzahl von Household Air Pollution im Vergleich mit beispielsweise HIV stand diese Problematik in der Vergangenheit selten im Fokus der Berichterstattung.

 

Für RecyCoal abstimmen

StartGreen ist das Online-Informations- und Vernetzungsportal des Borderstep Instituts für die grüne Gründungsszene in Deutschland. Hier informieren und vernetzen sich grüne Gründerinnen und Gründer, grüne Start-ups, grüne Investorinnen und Investoren und Finanzierende, nachhaltig orientierte Gründungszentren u.v.m. um ihr Wissen und ihre Erfahrungen auszutauschen.

Dieses Projekt wurde gefördert durch
logos von 'Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz' und 'Nationale Klimaschutz Initiative'