Nachrichten

Sieger Polysecure im Interview
© © Rolf Schulten - Borderstep
Sie haben den StartGreen Award 2017 in der Kategorie „Junge Unternehmen“ gewonnen, herzlichen Glückwunsch. Welche Bedeutung hat das für Sie?
Um unsere Technologie Tracer Based Sorting (TBS) zu etablieren, benötigen wir ein gutes Netzwerk. Der Gewinn des Preises unterstützt uns dabei. Wir konnten bereits bei der Preisverleihung interessante Kontakte knüpfen. Darüber hinaus macht es auch weitere Schritte leichter. Wenn bereits eine kompetente Gruppe von Menschen und Institutionen die Technologie im wahrsten Sinne des Wortes „ausgezeichnet“ findet und dies auch öffentlich darstellt, lassen sich weitere Türen leichter öffnen.
Gerade um fundamentale nachhaltige Innovationen in Gang zu bringen ist ein solcher Preis wertvoll. Der StartGreen Award bestätigt uns, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben und sendet dieses Signal auch nach außen.
Können Sie anderen Unternehmen zuraten, auch an solchen Ausschreibungen teilzunehmen? Auch Unternehmen außerhalb der Gründungs- und Start-up-Phase?
Viele Unternehmen entwickeln sich kontinuierlich weiter. Innerhalb des Unternehmens entstehen immer wieder neue Ideen. Gerade in diesen Phasen ist eine Teilnahme an solchen Ausschreibungen sinnvoll. Hinzufügen möchte ich, dass gerade die Reflexion der „Gründungsidee“ wichtig ist – das ganze Konzept, die Technologie und letztlich auch das wichtige Geschäftsmodell betreffend – die zunächst durch das öffentliche Abstimmen und dann aber vor allem durch die hochkarätig besetzte Jury passiert. Man ist als Gründer gezwungen sich nochmals kritisch mit allen Aspekten und unterschiedlichsten Fragen selbstkritisch auseinander zu setzen. Das findet auch in vielen Gesprächen während und nach der Veranstaltung statt. Nicht nur die „Gewinner“ gewinnen hierbei. Alle die mitmachen profitieren.
Worum genau geht es in Ihrem Projekt?
In unserem Projekt geht es um eine neue Sortiertechnologie: Tracer Based Sorting (TBS). Dieses Verfahren ermöglicht, dass Materialien effizient getrennt und dadurch sortiert werden können. Beispielweise Abfallkunststoffe, die bisher nicht zu trennen sind, werden hiermit sortierbar. Durch Tracer Based Sorting könnten so insgesamt mehr Kunststoffverpackungen im Abfall sortiert und dadurch hochwertig recycelt werden.
Für das Tracer Based Sorting werden Materialien, insbesondere Kunststoffe, markiert. Hierzu mischen wir effiziente fluoreszierende Partikel in die Kunststoffe oder bei Verpackungen in die Etiketten. Diese Partikel (Tracer) können dann unabhängig von der Materialzusammensetzung immer wieder differenziert und dadurch die Kunststoffe sortiert werden.
Durch Tracer Based Sorting gibt es nun also eine Lösung, um beispielsweise Kunststoff-Untergruppen voneinander zu trennen (z.B. G-PET von R-PET), oder nach Anwendung und Zulassung zu sortieren (z.B. PET für Lebensmittel und Nicht-Lebensmittel). Diese Trennung von spezifischen Materialgruppen ist entscheidend für die Recycling- und Kreislaufwirtschaft der Zukunft.
Wie kam Ihnen die Idee zu Ihrem Vorhaben?
Die PVC-Fensterprofil-Industrie wollte und muss PVC mit und ohne Glasfaser trennen, was aber durch konventionelle Sortiertechnik nicht möglich war. Wir haben unsere Lösungsidee vorgestellt und mit der Industrie etabliert. Hierfür haben wir auch die erste industrielle Sortiermaschine für Tracer Based Sorting konstruiert und gebaut. Unser erster Kunde ist Rehau.
Wer hat Sie dabei unterstützt?
Finanziell unsere Investoren, eine deutsche Unternehmerfamilie. Technologisch arbeiten wir mit strategischen Partnern und F&E-Netzwerken. Ferner hat uns der erste Industriekunde unterstützt.
Welche Geldquellen haben Sie gesucht? Wie konnten Sie Investoren überzeugen?
Unsere Innovation umfasst die erforderlichen, neuen fluoreszierenden Partikel und die Sortiertechnologie, also Laser- und Messtechnik. Die Innovation ist also verhältnismäßig breit und fundamental. Sie erfordert erhebliche Investitionen in Labor, Geräte und Köpfe. Im Wesentlichen kann eine solche Innovation für ein Start-Up wie Polysecure im Kern nur durch echtes Eigenkapital erfolgen. Fördermittel sind wichtig, aber keine tragende Säule. Als Start-up brauchten wir also praktisch auf einen Schlag eine Größenordnung von 10 Mio. Euro, was in Deutschland fast unmöglich ist. Unsere Investoren kannten mich schon persönlich. Ohne eine gewisse Vertrauensbasis und Mut auf allen Seiten wäre Polysecure nicht zu finanzieren gewesen.
Welche Herausforderungen sehen Sie an Ihrem Beispiel für grünes Gründen in Deutschland?
Leider fehlt es in Deutschland an solchen Finanzierungen und Investoren, mit denen man auch wirkliche Innovationen umsetzen kann. Nicht jedes Start-up kann im Wohnzimmer klein anfangen. Gute, global erfolgversprechende, neue Technologie braucht eine effiziente, aber auch über mehrere Jahre beständige Forschung und Entwicklung. Deutschland ist gerade im Bereich Physik, Chemie u.ä. stark. Um diese Stärken in innovativen Start-ups und Unternehmen umzusetzen, müssen aber auch wesentlich mehr Finanzierungsmöglichkeiten verfügbar sein.
Gerade grüne Technologien erfordern häufig lange Zeiträume für die Entwicklung und Etablierung im Markt. Insofern braucht es Eigenkapital- und Förderinstrumente, die langfristig orientiert sind.
Was leistet Ihr Projekt für den Klimaschutz? Wie trägt es zum Wandel in der Gesellschaft bei?
Tracer Based Sorting kann einen wesentlichen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leisten. Beispielsweise schätzen wir, dass TBS für die Sortierung und damit für das werkstoffliche Recycling von 10 - 25% aller Verpackungskunststoffe eine entscheidende Rolle spielen könnte. Dies entspricht rund 2 - 5 Mio. Tonnen in Europa, weltweit mindestens 10 - 25 Mio. Tonnen. Man muss sich vorstellen, dass diese Mengen dann wiederverwendet werden können, statt deponiert oder verbrannt zu werden. Daraus folgen sehr große CO2-Minderungen von global mindestens 20 – 50 Mio. Tonnen CO2. Außerdem wird durch das Recycling auch der Rohstoffverbrauch reduziert.
TBS kann nicht nur einen technischen Beitrag leisten, sondern die Menschen auch von der Machbarkeit einer Kreislaufwirtschaft überzeugen. Insofern kann TBS einen wirklichen Wandel unterstützen.
Welches Geschäftsmodell steckt hinter Ihrem Vorhaben?
Ein klassisches Technologie-Geschäftsmodell: Wir haben visionär und umfassend patentiert und entwickeln alle strategischen und neuen Technologiekomponenten selbst bzw. mit Partnern. So können wir eigene, in der Regel geschützte Marker und eigene, geschützte Sortiermaschinen anbieten. Perspektivisch können wir insbesondere den Bau der Sortiermaschinen verkaufen oder auslizensieren.
Was ist dabei Ihr Alleinstellungsmerkmal?
Wir sind Pionier beim TBS und die einzige Firma, die sowohl Marker als auch Sortiermaschinen aus einer Hand anbietet. Ferner setzen wir die Marker auch zum Plagiatschutz bzw. zur Authentifizierung von Produkten ein und könnten beide Nutzungen kombinieren. Hieraus kann eine synergetische Lösung für zwei globale Herausforderungen erwachsen: Kreislaufwirtschaft und Produktpiraterie.
Welchen Tipp haben Sie für Gründerinnen und Gründer in der Green Economy?
Sehr früh wirtschaftlich und technologisch sehr weit denken. Am besten mit führenden Technologen und Marktinsidern diskutieren. Intelligent patentieren und dann mit seriösen Investoren den gesamten, visionären Business Case besprechen. Unbedingt versuchen Investoren zu gewinnen, die nachlegen und umfassend finanzieren können, sonst kommt man in Deutschland ins Stocken.