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Mit grünen Gründern zur Agrarwende

© Harvest Time von Evan Leeson unter CC BY-NC-SA 2.0


Die Energiewende ist auf Erfolgskurs. Doch um die Transformation in eine Green Economy zu schaffen, müssen weitere Wirtschaftssektoren umfassend reformiert werden. Dazu gehört insbesondere der Agrarsektor.

Die Zukunft der Landwirtschaft beschäftigt auch die Mitglieder der GRÜNEN. Sie beschlossen auf ihrem Bundesparteitag am 9. Januar 2015 in Weimar mit großer Mehrheit einen Antrag zur Agrarwende.

Die grünen Gründer scheinen die Signale jedoch bislang nur schwach zu hören. Die negativen Umwelteinflüsse der Lebensmittelproduktion sind enorm. Handlungsbedarf besteht. Trotzdem gehört der Sektor Landwirtschaft/Ernährung nicht zu den populärsten Bereichen für grüne Neugründungen, wie auch der aktuelle Green Economy Gründungsmonitor beweist.

Mit 1400 Gründungen von 2006 bis 2013 entfallen gerade einmal etwa ein Prozent der grünen Neugründungen in den Wirtschaftssektor Land- und Forstwirtschaft.

Dennoch gibt es mutige Gründer, die sich mit ihren innovativen Produkten und Ideen der Scholle zuwenden. Für eine echte Agrarwende brauchen sie jedoch Mitstreiter: Nur so kann sich der Gedanke einer Green Economy auch in der Landwirtschaft durchsetzen.

 

Wir brauchen eine Agrarwende

Die Probleme in der konventionellen Landwirtschaft sind mit dem Siegeszug der Biosupermärkte in Großstädten noch lange nicht gelöst. Es geht um mehr als „nur“ besser zu essen.

Der Einsatz von Pestiziden, chemischen Düngern und Schädlingsbekämpfung in der Landwirtschaft gefährdet im großen Maße die Biodiversität. Damit ist die Anzahl, Verschiedenheit und Variabilität lebender Organismen auf der Erde gemeint. Biodiversität spielt eine zentrale Rolle bei der Funktionalität von Ökosystemen. Die Menschheit profitiert von unzähligen natürlichen Prozessen eines funktionierenden Ökosystems wie Nährstoff- und Wasserkreisläufe, Bodenbildung und -erhaltung, Bestäubung von Pflanzen, Klimaregulierung und Bekämpfung von Schädlingen.

Auch auf den Klimawandel wirkt sich die konventionelle Landwirtschaft negativ aus. Nach Forschungsergebnissen des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) liegt der Anteil der Landwirtschaft am deutschen CO²-Ausstoß bei 13 Prozent. Das ist mehr, als durch die Heizungen aller privaten Haushalte freigesetzt wird und nicht viel weniger als die Mobilität emittiert.

Experten des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) sehen das CO²-Einsparpotenzial sogar größer als im Stromsektor. So könnten zum Beispiel durch klimafreundliche Ackerbau-Methoden wie der Aussaat direkt unter den Pflanzenmulch des Vorjahres oder den Verzicht auf Pflügen Treibhausgas-Emissionen verhindert werden.

Doch es gibt eine noch leichtere Möglichkeit, die negativen Auswirkungen der Landwirtschaft auf die Umwelt zu begrenzen:  Ressourceneffizienz. Das gilt für den Anbau ebenso wie für den Verbrauch. So werfen die Menschen in Deutschland pro Kopf im Jahr durchschnittlich 82 Kilo Lebensmittel weg – nur in Privathaushalten. Dabei sind die Lebensmittel, die als nicht verkäuflich gelten und auf den Äckern liegen bleiben oder im Supermarkt nicht verkauft werden nicht einmal mit einberechnet.

 

Produktinnovationen bei Lebensmitteln als Chance für Start-ups

Genau hier liegen die Chancen für grüne Gründer:

Produktinnovationen bei Lebensmitteln und die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien eröffnen Start-ups die zahlungskräftige und stetig wachsende Zielgruppe der sogenannten LOHAS (Lifestyles of Health and Sustainability). Regionale Produkte und Lebensmittel aus ökologischer Landwirtschaft stehen bei ihnen hoch im Kurs.

Auch vegetarische oder gar vegane Produkte sind für grüne Gründer ein Zukunftsmarkt im Lebensmittelsektor.

Vor allem aber auch für die umweltschonende und ressourcenarme landwirtschaftliche Erzeugung von Lebensmitteln sind Verfahrens- und Prozessinnovationen gefragt, die in der Agrarwirtschaft angewendet werden können.

Eine wirklich nachhaltige Landwirtschft benötigt neue Methoden zum sparsamen Einsatz von Wasser, Düngern und Verfahren, die Emissionen vermindern und den Verzicht von Pestiziden, Herbiziden oder Fungiziden gewährleisten. Somit bietet die nachhaltige Produktion in der Agrarwirtschaft auch grünen Gründern wirtschaftlich eine Zukunft.

 

Kreative Start-ups verändern die Lebensmittelbranche

Wie man mit ressourcenschonenden Anbaualternativen in der Landwirtschaft auch wirtschaftlich Erfolg haben kann, zeigen die Unternehmen ECF-Farmsystems und ZIM Plant Technology.

Das in Berlin ansässige Start-up ECF Farmsystems nutzt eine Technik, die durch die Kombination von Fisch- und Pflanzenzucht Landwirtschaft mitten in der Stadt ermöglicht. Dadurch ist ECF Farmsystems nicht nur nah dran am Endverbraucher, sondern kann bei der Produktion auch sehr viel Wasser und CO2 einsparen. Zudem kommt das Unternehmen bei der Aufsucht der Fische völlig ohne Antibiotika aus.

Die Ausscheidungen der Fische können außerdem als natürlicher Dünger verwendet werden. Das Start-up beweist, dass durch kluge Kreislaufsysteme Landwirtschaft Ressourcen wesentlich effizienter und damit nachhaltiger genutzt werden können (das StartGreen Gründerinterview mit einem der Gründer finden Sie hier).

Das Unternehmen ZIM Plant Technology machte bereits im Jahre 2010 mit einer Innovation im Bereich Wasserverbrauch auf sich aufmerksam. Durch an den Blättern angebrachte Sensoren kann der Wasserbedarf von Pflanzen gemessen werden. Die Bewässerung richtet sich dadurch nach dem tatsächlichen Bedarf der Pflanzen und schafft somit Wassereinsparungen von bis zu 40 Prozent. Im Jahre 2013 gelang den Gründern der Exit: Sie wurden von dem norwegischen Düngemittelhersteller Yara übernommen.

Doch auch andere Start-ups zeigen, dass mit kreativen Ideen auch im Agrarsektor ein gesellschaftliches Umdenken gelingen kann. Mithilfe mobiler Applikationen (Apps) für Verbraucher widmen sich zum Beispiel die Start-ups FoodLoop und mealy-App dem Thema Lebensmittelverschwendung über digitale Kanäle.

Verbraucher können über die FoodLoop preisreduzierte Lebensmittel in Supermärken in ihrem Umkreis finden, die kurz vor dem Verfallsdatum liegen. Gleichzeit können Einzelhändler über die FoodLoop-Datenbank Rabattaktionen für Lebensmittel planen und durchführen. Das hilft bei der Vermeidung von Lebensmittelverschwendung im Einzelhandel.

Der Hunger auf Lebensmittel mit Bio-Zertifikat wächst, nicht nur in deutschen Großstädten. Inzwischen ist Bio im Mainstream angekommen. Dass damit die Biodiversität erhalten werden kann, ist für viele Käuferinnen und Käufer nicht unbedingt der entscheidende Kaufanreiz. Neben dem Geschmack gewinnt auch oft der Zeitgeist – was langfristig auch dem Umdenken in der Lebensmittelindustrie helfen kann. Ein gutes Beispiel ist die Bionade, die mittlerweile von der Radeberger Gruppe gekauft wurde.

Bionade Gründer Peter Kowalsky revolutionierte mit seinem Produkt den Limonaden-Markt und setze etablierte Player wie Coca-Cola gewaltig unter Druck. Bei Innovationen, die den Markt entscheidend verändern, spricht man von disruptiven Innovationen. Somit ebnete die Bionade den Weg für weitere Hersteller von Bio-Limonaden wie LemonAid oder Proviant Berlin.

 

Nachhaltige Landwirtschaft braucht eine stärkere Lobby

Nachhaltige Landwirtschaft steht bei den politischen Parteien nicht unbedingt weit oben auf der Agenda. Die regierenden Parteien CDU und SPD setzen kaum Akzente, um die Agrarsektor nachhaltiger zu gestalten– umfangreiche Reformen sind auch auf EU-Ebene momentan undenkbar. Weil intensive Landwirtschaft und Monokulturen weiter stark gefördert werden, existieren Massentierhaltung, hoher Pestizideinsatz und Ressourcenverschwendung in der Landwirtschaft uneingeschränkt weiter.

Umweltorganisationen wie der BUND oder NABU bemühen sich seit Jahren, für das Thema zu sensibilisieren. Die regelmäßig zur „Grünen Woche“ stattfindende Demonstration „Wir haben es satt“ bringt nachhaltige Landwirtschaft seit einigen Jahren ins Bewusstsein der Deutschen. Bis nachhaltige Landwirtschaft und Ernährung den gleichen politischen Stellenwert erlangen wie beispielsweise die Energiewende, ist es noch ein langer Weg.

Ökologische Landwirtschaft trifft noch zu oft auf Vorurteile. Noch immer steht die Behauptung im Raum, mit naturschonenden Anbaumethoden könne im Vergleich zur chemieorientierten intensiven Landwirtschaft deutlich weniger Ertrag erbracht werden: Die Welt werde also nicht satt.

Wissenschaftler der Universität Berkeley haben über 100 Vergleichsstudien zur ökologischen und herkömmlichen Landwirtschaft analysiert.Die Metastudie ergab, dass der Ertrag biologisch angebauter Nutzpflanzen weit höher ist als bislang angenommen. Durch spezielle Maßnahmen ließe sich der Ertrag noch weiter dem der konventionellen Landwirtschaft angleichen.

 

Eine stärkere Lobby für nachhaltige Landwirtschaft käme Gründungsvorhaben im Sektor Landwirtschaft/Ernährung zu Gute und würde die Anzahl von Neugründungen sicherlich langfristig erhöhen.

 

 

StartGreen ist das Online-Informations- und Vernetzungsportal des Borderstep Instituts für die grüne Gründungsszene in Deutschland. Hier informieren und vernetzen sich grüne Gründerinnen und Gründer, grüne Start-ups, grüne Investorinnen und Investoren und Finanzierende, nachhaltig orientierte Gründungszentren u.v.m. um ihr Wissen und ihre Erfahrungen auszutauschen.

Dieses Projekt wurde gefördert durch
logos von 'Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz' und 'Nationale Klimaschutz Initiative'