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„Jetzt schmeiß ich hin“ ist keine Option
© © Rolf Schulten - Borderstep
JPM Silicon will den Ausbau der Solarenergie durch die Produktion von kostengünstigem Solarsilizium voranbringen. Das war der Plan – bis zum Sieg beim StartGreen Award 2016. Seitdem hat Gründer Jan-Philipp Mai eine neue Firma gegründet: Und sein Geschäftsmodell auf den Kopf gestellt. StartGreen hat er verraten, was klare Sätze mit Kapital zu tun haben und wie man als Start-up mit großen Konzernen auf Augenhöhe kommt.
Was genau ist die Unternehmensidee von JPM Silicon?
Mit unserer Firma JPM Silicon wollen wir die Solarenergie günstiger machen. Dafür haben wir eine Technologie entwickelt, mit der wir Solarsilizium, das Grundmaterial der Solarzellen, aus nachwachsenden Rohstoffen produzieren können. Bereits erfolgreich war die Produktion von Silizium aus Zucker. Das sichert nicht nur energieeffiziente Prozesse, sondern auch noch eine CO2-neutrale Produktion. Für diese Innovation wurden wir mit dem StartGreen Award 2016 ausgezeichnet.
Doch Deutschland tut sich schwer mit neuen Technologien. Nicht umsonst heißt es hierzulande, je mehr Auszeichnungen ein Start-up bekommt, desto schneller kommt die Pleite. Denn ausgezeichnet werden echte Innovationen – und es liegt in der Natur der Sache, dass diese nicht über Nacht zur Marktreife finden und einen langen Atem brauchen. Bahnbrechende Innovationen bedeuten stets auch ein hohes Risiko. Nachdem wir uns mit Investoren, Kapitalgebern und Partnern nicht über den Fahrplan einigen konnten, folgte der Neustart mit JPM Technologies.
Ich musste komplett umstrukturieren und setze jetzt auf zwei Bereiche. An unserer Technologie, Solarsilizium im industriellen Maßstab aus Zucker und Streu herzustellen, arbeiten wir weiter. Das Verfahren braucht aber mindestens noch fünf Jahre, bis es am Markt etabliert ist. Deshalb setzen wir heute auf Recycling von Silizium.
Wie sieht euer Geschäftsmodell aus? Was ist dabei euer Alleinstellungsmerkmal?
Bei der Produktion von Solarzellen fallen große Mengen recyclingfähiges Material an. Da die Solarbranche ihren Schwerpunkt inzwischen in Asien hat, ergibt sich ein logistisches Problem. Wir brauchen also strategische Partner vor Ort, um gemeinsam Erlöse zu generieren. Statt alles selbst zu machen, setzen wir auf eine Projekt- und Lizenzierungslösung. Dadurch bleiben wir schlank und schleppen keinen riesigen Overhead mit. Wir denken dezentral, in Projekten, und vertrauen auf unser technologisches Knowhow.
Welche Mission verfolgt ihr? Auf welche Weise leistet ihr einen positiven Beitrag für die Umwelt?
Die Solarenergie besitzt ein riesiges Potenzial. In den letzten Wochen konnten wir erleben, welche Kraft die Sonne auch in Deutschland haben kann – das ist „Energy for free“. Dennoch kommt die Branche für die Produktion der Zellen nicht ohne fossile Rohstoffe aus. Das wollen wir ändern. Unsere Mission ist es, mit einer CO²-neutralen Siliziumproduktion ganz und gar grüne Energie möglich zu machen.
Ihr seid jetzt schon einige Zeit in der Gründerszene aktiv. Gibt es bestimmte Herausforderungen speziell in eurer Branche?
Besonders schwierig finde ich den Umgang mit Corporates. Im Bereich Rohstoffe agieren immer Konzerne, das ist schon in der Arbeitskultur sehr fern von der Start-up-Szene. Die Hierarchien bringen Entscheidungswege mit sich, die Zeit kosten. Zeit ist das, was ein Start-up nicht hat: Denn Zeit ist immer auch Geld. Das ist ein großes Problem, auch wenn das von den Großunternehmen nach außen hin anders kommuniziert wird. Es ist eine Sache, in der Pressemeldung gemeinsame Projekte mit Start-ups zu bejubeln. Eine andere, die eigene Unternehmenskultur zu hinterfragen. Es kann ja auch gar nicht anders sein. Das sind Leute, die seit Jahrzehnten in Konzernstrukturen arbeite und Veränderungen brauchen Zeit. Da als Start-up einen vernünftigen Weg zu finden, auf Augenhöhe miteinander umzugehen, ist eine echte Herausforderung – für beide Seiten.
2016 habt ihr den StartGreen Award in der Kategorie Junges Unternehmen gewonnen. Welchen Mehrwert hat die Teilnahme an Wettbewerben für dich gebracht?
Wettbewerbe und Auszeichnungen sind für uns sehr wichtig. Sie schaffen Sichtbarkeit und Anerkennung, nicht nur für uns als Unternehmen, sondern auch für unsere Themen. Jeder Wettbewerb bietet jedoch darüber hinaus die Gelegenheit zu hinterfragen, was man eigentlich tut. Dadurch passt man die eigenen Konzepte immer wieder an. Diese Selbstkritik bietet immer eine neue Diskussionsgrundlage. So fällt es leichter, alte Zöpfe abzuschneiden. Ob das gut oder schlecht ist und ob die neue Frisur die richtige Entscheidung war, können wir in 10 Jahren nochmal diskutieren.
Aktuell nehmen wir an der Business Idea Competition des EIT RawMaterial Clusters teil, das sich auf innovative Technologien im Bereich Rohstoffe spezialisiert hat. EIT RawMaterials ist die weltweit größte Innovationsgemeinschaft im Rohstoffsektor und verbindet Unternehmen, Universitäten, Forschungs- und Technologieorganisationen in ganz Europa. Das Programm ist für uns somit etwas ganz Besonderes. Es gibt im Gründungsförderbereich viele Angebote, die sich auf Software und Digitales konzentrieren, auf künstliche Intelligenz oder Block-Chain. Den Fokus auf High-tech und Hardware haben nur sehr wenige und EIT ist einer der wenigen. Der Vorteil von solchen Angeboten ist, dass Start-ups so unkompliziert Zugang zu den relevanten Konzernen bekommen und mit ihnen kooperieren können. So kommt man erstmal ins Arbeiten – und das macht es wesentlich einfacher, auf Augenhöhe zu kommen.
Welche Tipps habt ihr für die diesjährigen Bewerberinnen und Bewerber des StartGreen Awards?
Die Bewerbung einfach und klar schreiben. Jede noch so komplexe Idee kann man in maximal zwei oder drei Sätzen beschreiben. Was ist die eigene Kernbotschaft? Und wie mache ich damit Geld? So ein Award ist eine gute Übung, Dinge auf den Punkt zu bringen. Das darf ruhig plakativ klingen. Wenn ich im Venture Capital Bereich meine Idee pitche, habe ich keine zehn Minuten. Ein Konzernchef widmet sich meinem Thema vielleicht maximal zwei oder drei Minuten, dann fällt er eine Entscheidung. Da muss der Groschen dann fallen oder die Chance ist vertan. Etwas anders sieht es aus, wenn man einen Förderantrag schreibt. Aber wer überzeugen will, muss vereinfachen können. Egal in welchem Kontext.
Und zu guter Letzt: wie sieht eure langfristige Vision für JPM Silicon aus?
Meine Vision für die nächsten fünf Jahre: Unsere erste Recyclingfabrik in Asien für den industriellen "proof of concept" erbauen. Und durchhalten. Das wird interessanterweise immer härter, je besser man sich mit seinem Thema auskennt. Auch für uns ist das ein Auf und Ab. Trotzdem ist „jetzt schmeiß ich hin“ für mich keine Option – ich hoffe, das bleibt auch noch lange so. Jedes Gespräch mit Partnern und jede Auszeichnung wie der StartGreen Award helfen mir dabei. Dann realisiere ich wieder, wie sinnvoll, richtig und nötig das ist, was ich und wir tun. Und ich mache weiter.