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Interview mit Christoph Müller-Dechent, Gründer der FoodLoop GmbH

 


Es ist eine gigantische Verschwendung: Tag für Tag werfen Verbraucher und Supermärkte tonnenweise frische Lebensmittel weg. Der oftmals einzige Grund: die Mindesthaltbarkeit naht. Mit seinem neuen Geschäftsmodell und einer eigens entwickelten Software-Plattform mit angebundenen Apps möchte Christoph Müller-Dechent, Gründer des EXIST-geförderten Start-ups FoodLoop, zu einem sinnvollen und nachhaltigen Umdenken motivieren. Sein Ziel ist es, dass frische Lebensmittel wieder mehr wertgeschätzt und zukünftig nicht mehr vorzeitig im Abfallcontainer landen. Dass das funktionieren kann, soll ein erstes großes Pilotprojekt zeigen. Dazu kooperiert das junge Kölner Unternehmen mit Unterstützung des EU-Rahmenprogramms Horizon 2020 aktuell mit einer 70-filialstarken Handelskette in Spanien.


 

Herr Müller-Dechent, welche Idee steckt hinter FoodLoop?

Müller-Dechent: Wir wollen mit FoodLoop Unternehmen und Verbrauchern ermöglichen, etwas gegen Lebensmittelverschwendung zu tun. Wir helfen dem Verbraucher und Lebensmitteleinzelhandel über die gesamte Wertschöpfungskette ressourceneffizienter zu agieren und bewusster zu handeln. Das beinhaltet auch das Ende der Wertschöpfungskette. Zu diesem Zweck haben wir ein System entwickelt, mit dem Verbraucher das Wegwerfen von Lebensmitteln bei sich zu Hause, aber auch in Supermärkten reduzieren können und dabei auch noch zu einem nachhaltigen Umdenken motiviert werden.

 

Wie funktioniert das in der Praxis?

Müller-Dechent: Mit unserer Software-Plattform können Supermärkte frische Lebensmittel mit einer sich nähernden Haltbarkeit automatisch reduzieren und dieses Angebot inventargenau an unsere Apps als Ausgabekanäle kommunizieren. Über ihr Smartphone erfahren die Kunden dann in Echtzeit, welche Produkte es in ihrem Umkreis vergünstigt gibt. Die persönlichen Vorlieben - hinsichtlich der Lebensmittelauswahl, dem Einkaufsort oder dem Anbieter - können bei der App eingestellt werden. Darüber hinaus kann der Verkäufer seinen Kunden ganz nach deren Vorlieben individuelle Angebote übermitteln. Im Geschäft schließlich sind die reduzierten Produkte durch einen neuartigen Barcodestandard gekennzeichnet. So kann ein Produkt, das heute um 30 Prozent reduziert ist und nicht verkauft wurde, am nächsten Tag ohne Neuauszeichnung um zum Beispiel 40 Prozent günstiger – aber immer noch frisch – angeboten werden.

 

Wann kommt Ihre Dienstleistung auf den Markt?

Müller-Dechent: Unsere erste Testphase in Kooperation mit einer Bio-Supermarktkette ist bereits in 2014 abgeschlossen worden. Ab Dezember 2015 wird unsere App dann in drei Biomärkten fest eingeführt. Die Bio-Kette ist unser erster zahlender Kunde und ein großer Meilenstein. Der ganz große Härtetest startet nächstes Jahr in Spanien: Wir konnten dort eine große Lebensmittelkette als Partner gewinnen, die ihre 70 Filialen mit unserem System ausstatten wird.

 

Warum gerade Spanien – ist Deutschland nicht der richtige Markt?

Müller-Dechent: Lebensmittelverschwendung ist nicht nur hierzulande ein Thema. Außerdem hatten wir von Beginn an auch den internationalen Markt im Visier. Was den konventionellen Lebensmittelhandel in Deutschland angeht: Der findet unsere App zwar sehr interessant - verhält sich aber noch reserviert. Ein Grund dafür ist das derzeitige Barcodesystem. Um ihre Warenwirtschaft mit unserer App zu verbinden, müssen die Händler einen neuen Barcode verwenden. Der bietet die Möglichkeit, weitaus mehr Informationen – beispielsweise auch das Mindesthaltbarkeitsdatum – abzuspeichern. Obwohl der neue Code seit 2006 als ISO-Standard definiert - und seit 2010 für den offenen Einsatz an Supermarktscannerkassen freigegeben ist, benutzen ihn noch wenige.

 

Und da ist der spanische Einzelhandel schon weiter?

Müller-Dechent: Richtig. Dort wollen wir beweisen, dass unsere Idee auch im großen Rahmen funktioniert und hoffen dann auf einen Domino-Effekt. Dabei wollen wir nicht nur zeigen, dass unsere Technik top ist, sondern vor allem auch, dass der nachhaltige Lifestyle mit Produkten nahe der Haltbarkeitsgrenze funktioniert. Und, dass die sogenannte „Frischepolitik“ der deutschen Supermärkte - die diese Lebensmittel auf den Wühltisch verbannen oder ganz entsorgen - nicht mehr zeitgemäß ist.

 

Wie kam der Kontakt nach Spanien zustande?

Müller-Dechent: Den hat uns das Unternehmen vermittelt, das auch für das neue Barcodesystem verantwortlich ist. Die Firma entwickelt weltweit Standards für die Identifikation von Produkten und hat auch den Gesprächskontakt zu den deutschen Ketten hergestellt. Da die Spanier die neue Kodierung schon nutzen, waren sie offen für ein Pilotprojekt. Wir haben uns dann gemeinsam nach einer geeigneten EU-Förderung umgeschaut und schließlich das Förderprogramm „KMU-Instrument“ beantragt.

 

Neben Spanien haben Sie einen weiteren ausländischen Markt näher erkundet. Mit dem German Accelerator waren Sie drei Monate in den USA.

Müller-Dechent: Ja, im Silicon Valley. Es waren sehr aufschlussreiche Monate und ich habe extrem viel gelernt. Auch wenn die Amerikaner den Themen Lebensmittelverschwendung und Nachhaltigkeit einen geringeren Stellenwert beimessen als die Europäer, sind sie insgesamt viel offener für etwas wirklich Neues. Zugleich ist der Wettbewerb auf dem US-Markt deutlich härter und alles geht einen Tick schneller als hierzulande. Insofern war der Aufenthalt so etwas wie ein dreimonatiger Crashkurs, der einen für diesen harten Wettbewerb fit gemacht.

 

Wie lief das konkret ab?

Müller-Dechent: Ich hatte einen persönlichen Mentor, der mich intensiv gecoacht und mit mir an der Geschäftsstrategie gefeilt hat. Darüber hinaus hat er Kontakte zu potenziellen Kunden und Investoren hergestellt. Daneben gab es immer wieder Unterrichtstunden, in denen einem die   Gepflogenheiten in punkto Marketing, Vertrieb oder Recht vermittelt wurden. Das Besondere daran war die große Praxisnähe, das heißt, man wurde permanent künstlich unter Druck gesetzt. Wir mussten beispielsweise im direkten Kundenkontakt Händler und Verbraucher befragen oder wöchentlich eine Präsentation vorbereiten. Eine tolle Sache war auch der Kontakt mit etablierten Unternehmen: Während es in Deutschland nahezu unvorstellbar ist, dass man direkt vor einem Unternehmensvorstand pitcht, ist das in den USA nichts Ungewöhnliches.

 

Und wie lautet Ihr Fazit?

Müller-Dechent: Obwohl ich viele vielversprechende Kontakte geknüpft habe, wollen wir unser Produkt zunächst in Europa einführen. Die USA müssen noch etwas warten. Doch gelohnt hat sich die Erfahrung allemal: Wer ein Global Player werden möchte, muss sich nun mal auch auf dem US-Markt behaupten können.

 


Dieser Artikel stammt aus dem eMagazin "erfolghoch2" Ausgabe November 2015 des Existenzgründerportal des BMWi. Hier finden Sie den original Artikel.

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