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Green Economy - Bambus, unser Stahl von morgen?
© Eugenie Lai - unsplash
Während sich ein Industrieskandal an den Nächsten reiht, wünscht sich ein Großteil der Menschen eine Politik, die mehr die Umwelt und die Nachhaltigkeit im Blick hat. Der Dieselskandal der deutschen Autobauer und die damit einhergehende, seit Jahren tolerierte „schlechte Luft“ in unseren Städten, ist vielen ein Dorn im Auge. Vielleicht sind diese Skandale allerdings erst nötig, damit wir uns als Gesellschaft im Anthropozän aufmachen, ökologisch sinnvolles Handeln auch in unsere Ökonomie zu integrieren und unser Wirtschaften entsprechend nachhaltigen, zirkulären Materialkreisläufen zu unterziehen.
Aufgewühlt von Meldungen über Nanopartikel, Kunststoffen in den Meeren und im Trinkwasser, gewinnen biologische Alternativkonzepte an Interesse bei den Verbrauchern. Die zukünftigen Entwicklungsschritte werden immer mehr von regenerativer Energieerzeugung, Elektromobilität, dicht verwobenem Schienennetzverkehr, Biotechnologieinnovationen und der Reduktion von CO2-Emissionen geprägt sein. Dahinter steht das Leitbild einer „dekarbonisierten Gesellschaft“, die wesentlich weniger CO2 ausstößt.
Nicht alle sehen im grünen Wandel den Heilsweg für unsere Volkswirtschaft, doch es besteht auch eine verkannte Gefahr im von der Industrie geschürten Angstvakuum, das den nötigen Denkwandel wie technologischen Fortschritt bremst und zermürbend auf die Gefahren der Massenarbeitslosigkeit durch Wegbrechen „dreckiger Industriezweige“, wie der Diesel-Pkw-Branche oder der Atomkraft, hin weist. Ja, es ist richtig, dass sehr viele Menschen dort ihrer Arbeit nachgehen.
Es ist aber auch richtig, dass noch viel mehr Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen, wenn wir zukunftsweisende Alternativen aus dem Blick verlieren und versuchen den Status quo in einer sich durch den Klimawandel rasant ändernden Welt aufrecht zu erhalten. Im letzteren Fall können wir - zeitlich aufgeschoben - nur verlieren. Unsere Ressourcen verschwendende Produktkultur scheint überholt. Mit einer prognostizierten Weltbevölkerungsentwicklung von etwa 10 Milliarden Menschen in wenigen Jahrzehnten und deren gestiegenen Konsumwünschen wird es absolut notwendig, die Green Economy zur einzigen Wirtschaftsweise zu erheben und zu fördern. Energiewende bedeutet vor allem Energie einzusparen.
Mit der Energiewende - also weg von Atomkraft und Kohlestrom - werden wir zukünftig auch abwägen müssen, welche Materialien zeitgemäß und unter Energiegesichtspunkten vertretbar sind. Nur solange Energie übermäßig preiswert ist, werden auch sehr umweltschädliche und damit vom CO2-Ausstoß sehr hoch angesiedelte Materialien zu Schleuderpreisen gehandelt. Es wird sich zeigen, wie sinnvoll es ist, weiterhin die exponentiellen Wachstumsraten in der Aluminiumbranche zu vertreten oder ob es aus energieökonomischen Gründen zukünftig zur Stagnation und zum Verzicht auf diesen Werkstoff kommen wird. Aus Sicht grüner Politiker ist dieses eine Utopie ohne Abgase, Rauch und Lärm und mit deutlich kleineren Industrienzweigen als zum aktuellen Zeitpunkt.
In der Baubranche hat das Umdenken jedoch bereits stattgefunden, und immer mehr Forschungsprojekte zeigen alternative Wege auf, die vielversprechend sind: etwa Holzfaserdämmplatten, Altbaumodernisierung, schadstoffarmes Bauen, Hanfdämmung, Lehmbaustoffe, Holzbauten, Holzhochhäuser oder die intensive Nutzung von Solarthermie und Photovoltaik zur Neutralisierung des Primärenergiebedarfs der verwendeten Baustoffe. Prof. Hebel hat sich zum Ziel gesetzt, sogar den Stahl im Stahlbeton durch einen hochinteressanten Werkstoff zu ersetzen. Bambus ist, kontrolliert angebaut und verarbeitet, zugfester als Baustahl (St-37) und das bei gleichem Gewicht. Die CO2-Bilanz fällt deutlich positiver für den Bambusbeton aus und ist ein technisches Material mit hohem Potential, auch gerade dort, wo keine etablierten Stahlproduktionen existieren.
Im Zuge der EXPO 2000 wurde Bambus erstmals vom Otto-Graf-Institut der Universität Stuttgart umfangreichen Belastungstests unterzogen, mit erstaunlichen Ergebnissen. Doch bereits 1914 wurden am Massachussets Institut of Technology (MIT) erste Versuche unternommen, Bambus gar als Betonbewehrung einzusetzen. Industrialisierte Bambusprodukte sind uns bei genauerem Nachdenken sehr wohl bekannt, z.B. Bambus-Parkett, Schnittbretter für die Küche, Schichtholz, Sperrholz oder Spanplatten. Riesige Gerüste aus Bambus werden in Hong Kong immer noch unseren Stahlvarianten vorgezogen. Auch Thomas Edison wusste um die besonderen Eigenschaften des Bambusgrases, das er zu einem Glühfilament verarbeitet in seine erste Glühbirne einbaute.
Die Radbranche denkt konservativ - dennoch sind grüne Materialien überlegen. Im Bereich von Fahrrädern lässt sich gut beobachten, welche Materialien eine interessante Kombination aus technischen Eigenschaften und Komfort gewähren. Mit der Serienproduktion von Aluminiumrahmen wurden zunehmend Stahlrahmen vom Markt verdrängt. Im Radrennsport überwiegt inzwischen das deutlich steifere Carbon, das noch dazu sehr leicht ist. Die Energiebilanzen und die Ökobilanz sowohl vom Aluminium- wie vom Carbonrad sollte man sich besser nicht zu genau anschauen, da beide Materialien hochenergieintensiv und damit klimaschädlich sind.
Ein Nischentrend der Bambusräder hat es jedoch in sich. Leichtgewichte mit schon fast unnatürlichen Eigenschaften im Hinblick auf Zug-, Druck- und Scherfestigkeiten mit einer Restflexibilität, die auch bei Stößen keinerlei Schäden hervorruft. Auch im Bereich dieser Bambusräder hat eine enorme Professionalisierung stattgefunden. Der Londoner Bamboobicycleclub vermittelt nicht nur das Knowhow, sondern verkauft auch komplette Rahmenbausätze. Auch andere machen sich auf den Weg und entwickeln interessante Konzepte wie etwa myBoo, Berlin Bamboo Bike, Stark Bamboo Bike, Urbam, Bambooride oder BAM Originial aus München. Im Vergleich zu diesen kleineren Fahrradmanufakturen ist Bambus in seiner gewachsenen Struktur nicht für die Serienproduktion geeignet und lässt sich nur schlecht in Arbeitsabläufe integrieren. Was für die hochautomatisierte Großindustrie zum Problem wird, ist für kleinere Designer und Entwickler ein Segen, da sie nicht zu befürchten brauchen, dass Räder aus Bambus ein Massenphänomen werden.
Bambus - nachhaltig, leicht, stabil: Bambus hat sich aufgrund seiner hervorragenden Eigenschaften als natürliches Material einen Namen gemacht. Viele Materialexperten, Ingenieure, Designer, Architekten und Wissenschaftler wissen um sein technisches Potential. Dabei ist Bambus ein Musterbeispiel in Sachen Nachhaltigkeit, da er während seines schnellen Wachstums enorme Mengen CO2 aus der Atmosphäre bindet. Aufschluss über die Nachhaltigkeit von Bambus gibt auch ein Vergleich der Energiebilanzen verschiedener Materialien (also die Energie, die benötigt wird, um eine Einheit eines Materials einer bestimmten Belastbarkeit zu produzieren). Mit 30 MJ/m3 ist Bambus konventionellen Baustoffen wie Stahl mit 1500 MJ/m3, Beton mit 240 MJ/m3 oder einheimischem Holz mit 80 MJ/m3 deutlich überlegen.
Während die Bambusforschung in China, Japan und Lateinamerika sowohl die agrartechnische Nutzbarkeit wie die Anwendung im Bauwesen aktiv untersucht und Bambus auch seit langer Zeit als Bauelement Verwendung findet, fällt das Interesse an diesem einmaligen Rohstoff in Europa verhältnismäßig bescheiden aus. Inzwischen werden wir jedoch von einer unkontrollierten Welle von Bambusprodukten aus Fernost überschwemmt, die unsere Vielfalt an Produkten deutlich bereichern. Bambus ist als Bauelement und Baumaterial wieder ein Thema.
Bambus ist die am schnellsten wachsende Pflanze der Welt und die Existenzgrundlage von 1 Milliarde Menschen. Dank dieses schnellen Wachstums ist der Substanzertrag bis zu 25-mal höher als bei Bauholz wie Fichte oder Kiefer.
„On 500 m2 of land you can harvest a house each year.“ (Gunther Pauli)
Bambus und seine Verwendung in der Technik liefern in vielerlei Hinsicht faszinierende Einblicke in eine Konstruktionsform, die sich die Anpassungsfähigkeit der Natur zu eigen macht. Bereits der Bambushalm an sich bietet dem Menschen ein Material, dessen Aufbau und Eigenschaften denen eines hochmodernen Hightech Materials entsprechen: er ist stabil, aber dank seiner Hohlräume extrem leicht und gleichzeitig flexibel, versteift sich durch seine Knoten und hat physikalische Eigenschaften, die selbst an die Festigkeitswerte von Stahl und Beton herankommen. Lignin dient dem Bambus als natürlicher Kleber und bestimmt zugleich die Druckfestigkeit des Materials, während die Fasern aus Zellulose für die Zugfestigkeit und damit das Gerüst da sind.
Der Bambus ist mit seinen vielen Hohlräumen und Versorgungsbündeln ein Extremprodukt der Natur. Im Evolutionsprozess hat die Natur effiziente Lösungen gefunden, die mit einem Minimum an Energieaufwand komplizierte strukturelle Anforderungen erfüllen. Besonders in der Luft- und Raumfahrt wird an Verbundwerkstoffen geforscht, die sich durch ein minimales Gewicht auszeichnen. Selbst Otto Lilienthal baute Flugobjekte für seine Gleitflüge aus einem Bambusgerüst. Für den Leichtbau werden Kunststoffe wie etwa Epoxidharze oder Polyester eingesetzt, die Fasern aus Glasfaser oder Carbonfaser zusammenhalten. Auch Bambus kann für solche technischen Composites unter Berücksichtigung einiger Limitierungen verwendet werden.
Mit Bambus verhält es sich wie mit jedem anderen Werkstoff, wenn man ihn technologisch einsetzten will. Allerdings muss man nicht mehr beachten als wenn man Stahl vor Rost und erhöhter Hitzebelastung schützen will. Wenn man richtig über Bambus als technisches Material nachdenkt, dann wird es auch zu einem. Werfen wir einen Blick in Richtung China, dann müssen wir zügig realisieren, dass dort bereits Rotorblätter von Windturbinen aus Bambus gefertigt werden und das nicht im kleinen Maßstab, sondern bereits in 40 Meter Flügellänge. Ebenso gibt es eine nationale Anstrengung, Pipelines aus gewundenen Bambusverbundwerkstoffen zu fertigen, die sowohl für Wasser wie für Treibstoffe geeignet sind. Der Autobauer Ford hat im Jahr 2017 angekündigt, Bambus zukünftig in tragenden Teilen verwenden zu wollen. Sämtliche Gerüste in Hong Kong sind aus Bambusrohren gefertigt.
Werden wir also Bambus eine Chance geben und damit den Pionieren wie Thomas Edison, Otto Lilienthal oder Frei Otto folgen und die Eigenschaften dieses Supergrases nutzen, um die Green Economy voranzutreiben? mehr dazu erfahrt Ihr unter denkfabrikbambus.de