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Design for Circularity im Interview
© © Rolf Schulten
Design for Circularity: System für Materialkreisläufe in der Textilbranche
Wie kam Ihnen die Idee zu Ihrem Projekt?
Als Designerin für nachhaltige Mode liegt meine Leidenschaft in der Entwicklung von ästhetischen, funktionalen und langlebigen Produkten. Ich finde es frustrierend, dass in der linearen und schnelllebigen Modeindustrie ausrangierte Kleidung zu selten wiederverwendet wird. Zudem existieren kaum Recyclinglösungen, bei denen die Qualität erhalten bleibt. So werden ständig neue endliche Ressourcen beansprucht und gleichzeitig Unmengen an Abfall produziert.
Inspiriert vom Prinzip Cradle to Cradle und der Vision einer Circular Economy sehe ich die Lösung darin, dass Produkte und Systeme von Beginn an für die Wiederverwendung und Wiederverwertung gestaltet werden. Dafür habe ich das Konzept der EXTENDED CLOSED LOOP Plattform entwickelt. Design, Wiederverwendung und innovatives Recycling von kreislauffähigen Produkten werden durch die Plattform ermöglicht - für eine zirkuläre und nachhaltige Zukunft der Mode.
Wer hat Sie dabei unterstützt?
Gefördert durch das Hessnatur Stipendium habe ich das Master Programm Sustainability in Fashion an der ESMOD Berlin absolviert. Dabei entwickelte sich meine Überzeugung für die Kreislaufwirtschaft zu meinem Forschungsschwerpunkt. Intensiv begleitet und unterstützt wurde ich dabei von der Studiengangsleiterin und Mentorin Friederike von Wedel Parlow.
Ebenso profitierte ich vom Austausch mit zahlreichen branchenrelevanten Partnern und Unterstützern wie Michael Braungart – Mitbegründer des Cradle to Cradle Konzeptes sowie Gründer und Leiter der EPEA in Hamburg. In diesem Umfeld entwickelte ich als Master Projekt einen Proof of Concept des EXTENDED CLOSED LOOP Models.
Erfreulicherweise wurde die Innovation und die Nachhaltigkeit des Konzeptes bereits mit Preisen wie dem NEXT ECONOMY AWARD 2015 ausgezeichnet. Die Mentorenschaft und das Netzwerk dieser Wettbewerbe wirkte sehr unterstützend für den weiteren Aufbau des Netzwerkes der Plattform sowie für die technische Entwicklung eines Prototyps.
Welche Geldquellen haben Sie gesucht? Wie konnten Sie Investoren überzeugen?
Konventionelle Unternehmen mit linearen Wertschöpfungsketten realisieren vermehrt, dass ihr Business Modell durch das Verbrauchen begrenzter Ressourcen sehr limitiert ist und nicht dauerhaft funktionieren wird. Es lohnt sich, frühzeitig in Konzepte zu investieren, die auf geschlossenen Materialkreisläufen basieren. Denn diese sind in ihrem Schaffen nicht begrenzt, indem sie sich den dauerhaften Zugang zu hochwertig recyclelten Rohmaterialien sichern.
So stieß ich auf eine große Nachfrage für mein Sustainable & Circular Design Know-How und gründete ‚Design for Circularity‘. Eine nachhaltige Design Agentur, die durch Co-creation, Workshops und Consulting die Erstellung von kreislauffähigen Produkt- und System Innovationen verbreitet. Durch diese Arbeit und die Unterstützung der Wettbewerbe konnte ich die Entwicklung der ersten technischen Prototypen finanzieren.
Das nächste Ziel ist weitere Mitgründer zu involvieren und weitere Fördermittel zu akquirieren. Dazu laden wir weitere Partner und finanzielle Unterstützer ein, Teil der EXTENDED CLOSED LOOP Plattform und einer zukunftsweisenden Bewegung zu werden.
Welche Herausforderungen sehen Sie an Ihrem Beispiel für grünes Gründen in Deutschland?
Es herrscht große Begeisterung für innovative Ideen, die unsere gemeinsame Zukunft nachhaltig positiv beeinflussen können. Gleichzeitig zögern Konsumenten sowie Produzenten jedoch, die eigenen linearen Strukturen und Gewohnheiten abzulegen und eine Offenheit für neue temporäre und zirkuläre Nutzungsmodelle zu entwickeln. Es scheint eine große Herausforderung, das nötige Level von Transparenz zu wagen und das Verständnis von Produkten als wertvolle Ressource tatsächlich auch zu leben. Beide Seiten erwarten jeweils vom Gegenüber den ersten Schritt zu gehen, dabei sollten wir alle parallel unsere Komfortzone verlassen und gemeinsam die Lösungsvorschläge umsetzen.
Erst durch Einbezug aller Akteure, insbesondere des Konsumenten als gleichberechtigten Partner, generiert der geschlossene Kreislauf Vorteile. Denn nur so kann der kreierte unendliche Wert von allen Beteiligten voll ausgeschöpft werden.
Was leistet Ihr Projekt für den Klimaschutz? Wie trägt es zum Wandel in der Gesellschaft bei?
Das EXTENDED CLOSED LOOP Modell wird die aktuelle lineare Industriestruktur zu einem kreisläufigen System revolutionieren: Zu Beginn besteht zwar noch die Ressourcenverwendung zur Herstellung neuer Textilien. Durch Input von ausschließlich puren und ökologischen Materialien wird jedoch ein neuer schadstofffreier Kreislauf generiert. Die Produkte selbst fungiereren dauerhaft als Rohmaterial für neue Textilien und werden niemals Abfall. So wird neuer Materialinput hinfällig, die Ausbeutung knapper Ressourcen verhindert und die Umweltbelastung durch ausrangierte Textilien geht gegen Null.
In unserem Wertschöpfungskreislauf werden Recyclingfirmen von Abfallverwertern zu Herstellern von textilem Rohmaterial. Moderetailer werden zu Dienstleistungsunternehmen, die lediglich die Nutzung des Kleidungsstückes im Leasing anbieten oder durch lukrative Rückgabemodelle Anreize schaffen, das Material dem Kreislauf zurückzuführen.
Die Kundenschnittstelle des scanbaren Transparenz-Tools stellt die Nachhaltigkeit des gesamten Lebensweg des Kleidungsstücks dar. So bildet es eine aufklärende Entscheidungsgrundlage, die passive Konsumenten zu intelligenten Nutzern erhebt. Mode und Kreativität sorgt so für Begeisterung bei der Mitgestaltung einer Circular Economy!
Welches Geschäftsmodell steckt hinter Ihrem Vorhaben?
Die Platform generiert Vorteile für alle Akteure und lebt von Nutzungs- und Provisionsbeträgen. Materialhersteller dürfen kreislauffähigen Textilinnovationen in einer Materialbibliothek eines Circular Design Tools anbieten. Modelabels genießen Zugang zu dieser Materialbibliothek und dem Know-how um kreislauffähige Produkte zu entwickeln. Zudem nutzen sie und die Retailer den digitalen Tag im Kleidungsstück als Marketing- und Labeling Instrument sowie sogar als Warenwirtschaftssystem, welches die Nutzungszyklen registriert. Textilsortierer können durch die automatisierte Materialerkennung ihren Sortierprozess viel effizienter gestalten und gesteigerten Materialwert für die vollständig identifizierten und recyclingfähigen Alttextilien erzielen.
Was ist dabei Ihr Alleinstellungsmerkmal?
Der Schlüssel ist unser Ausgangspunkt direkt am Ursprung der Produktgestaltung sowie unser Multi-Stakeholder Ansatz mit vorteilhafter Kooperation statt Konkurrenz: Viele Textilhersteller und Brands nutzen zwar bereits recycelte Materialien, kombinieren sie jedoch so, dass sie nicht recyclingfähig bleiben - oder haben kein System für die Rückführung und das Recycling. Einzelne Unternehmen lösen oft nur ihren Teilbereich und erreichen alleine keine kritische Masse von sortenreinen Materialien für hochwertiges Closed Loop Recycling.
Die Kreislaufwirtschaft ist eine globale und interdisziplinäre Herausforderung, die nur in Kooperation realisiert werden kann. Wir bieten eine kohärente Gesamtlösung für alle Herausforderungen entlang des Kreislaufs und richten uns bewusst an zahlreiche Modeunternehmen um das System effizient zu gestalten. Dabei geben wir Zugang zu revolutionären kreislauffähigen Materialinnovationen und allen relevanten Partnern entlang der Kette.
Die für geschlossene Materialkreisläufe notwendige kohärente Vernetzung aller Beteiligten des Produktzyklusses wird umso profitabler, je mehr Akteure involviert sind. Erst so werden gemeinsam wirtschaftlich große, sortenreine Recyclingströme geschaffen, die Preise senken.
Welchen Tipp haben Sie für Gründerinnen und Gründer in der Green Economy?
Eine Idee, welche die Zukunft nachhaltig positiv prägt, wird Erfolg haben, wenn du mit voller Überzeugung und Begeisterung dabei bist sie zu realisieren. Hürden sind von nun an deine Freunde – in jeder Herausforderung steckt auch ein enormes Innovations- und Kreativitätspotential sie zu lösen!
Warum wollen Sie den StartGreen Award 2016 gewinnen?
Unser Ziel ist es, durch eine kohärente Gesamtlösung für die unterschiedlichen Akteure der Modebranche eine nachhaltige und profitable Kreislaufwirtschaft voranzutreiben. Bewusst haben wir nicht das Interesse, ein einzelnes Modelabel als Vorreiter der Kreislaufwirtschaft zu präsentieren. Wir wollen eine ganzheitliche Branchenlösung zu etablieren, die das Know-How und das System in viele Unternehmen bringt und so die Entwicklung an zahlreichen Punkten gleichzeitig anstößt.
Durch den StartGreen Award erhoffen wir uns, dass interessierte Partner die weitreichende Einflussmöglichkeit des Konzeptes sehen und Teil der Plattform und der Bewegung werden. Nur durch Zusammenarbeit und Transparenz schaffen wir eine nachhaltige und zirkuläre Zukunft der Mode.