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Das Fahrrad neu denken: Grüne Innovationen für Velo & Co.

© Red_Bike_3 von John Villarreal unter CC BY-NC-ND 2.0


In vielen Städten Europas gehört das Fahrrad fest zum Stadtbild. Laut einer Umfrage des Verkehrsclubs Österreich (VCÖ) im Jahr 2013 ist das niederländische Houten (knapp 50.000 Einwohner) Spitzenreiter in Sachen Fahrradfahren in Europa. Hier werden 44 Prozent der Alltagswege mit dem Rad gefahren. Deutschland landet auf Platz 2: In Oldenburg (160.000 Einwohner) radeln die Bürgerinnen und Bürger 43 Prozent ihrer Wegstrecken. Die oft zitierte Radhauptstadt Münster (290.000 Einwohner) landet auf Platz 3 in Europa. In der Universitätsstadt kommt bei immerhin 38 Prozent aller Wege das Fahrrad zum Einsatz.

Damit liegt Münster in geradelten Streckenkilometern sogar noch vor Kopenhagen. Die dänische Hauptstadt wird gern als Weltfahrradhauptstadt gefeiert. Das liegt vor allem an fahrradfreundlichen Konzepten der Stadtverwaltung. Eigene Highways fürs Fahrrad und spezielle Ampeln nur für Räder soll Radfahren zu einer bequemen, sicheren und praktischeren Alternative zum Auto machen. Wer kein eigenes Fahrrad hat, kann sich eines an öffentlichen Leihstationen kostenlos leihen: Was den hohen Preis für den Einzelfahrschein im öffentlichen Nahverkehr von Kopenhagen relativiert. In der einst von Autos verstopften Stadt rollen heute 650.000 Fahrräder, aber nur 125.000 Autos.

 

Mobilitätsalternative Fahrradautobahn

Kopenhagen ist ein Vorbild für London. Die chronisch von Staus geplagte Stadt will ihre Einwohner aufs Fahrrad einschwören. Bürgermeister Boris Johnson, 2012 zum zweiten Mal ins Amt gewählt, ist selbst begeisterter Radfahrer. Zu Londons ambitioniertesten Projekten gehört „ScyCycle“, eine Art Fahrradautobahn, die oberhalb von Bahntrassen gebaut werden soll. Die Idee stammt von Stararchitekt Norman Foster. Bis zu 12.000 Radfahrer in der Stunde kämen nach seinen Plänen autofrei, schnell und sicher über die insgesamt 216 Kilometer lange Strecke durch die Stadt. Im Einzugsbereich der geplanten Trasse leben sechs Millionen Menschen. Die Hälfte von ihnen könnte es in unter zehn Minuten auf einen der Fahrradwege schaffen.

 

Mit dem Fahrrad übers Wasser

Mehr Platz für Fahrräder heißt das Motto: Dafür dürfen die Ideen in London gern auch ein bisschen spektakulärer sein als anderswo. Neben der Nutzung stillgelegter U-Bahn-Tunnel als unterirdische Radwege sorgte vor allem die Vision einer schwimmenden Fahrradstraße international für Aufsehen. Der Thames Deckway ist ein zwölf Kilometer langer Radweg auf der Themse. Die schwimmenden Ponds sollen sich dabei dem Pegelstand des Flusses anpassen. Autos und Fußgänger müssen an Land bleiben. Mehrere Rampen verbinden die schwimmende Mobilitätsalternative mit dem Festland.

 

Innovationsfeld Fahrrad

Die räumliche Trennung von Radfahrern und den übrigen Verkehrsteilnehmern scheint Politiker und Stadtplaner weltweit zu einen. Dass Sicherheit und Komfort Argumente fürs Radfahren sind, bestätigt die Fahrradklima-Umfrage des ADFC. Die Hälfte der Befragten gab an, auf das Fahrrad zu verzichten, da ihnen die damit verbundenen Risiken zu hoch erschienen. Erstaunlicherweise hat sich im Gegensatz zu den Aktivitäten der Kommunen auf dem Fahrradmarkt in Sachen Innovationen in den letzten Jahrzehnten wenig getan. So beklagt sich Technology Review Redakteur Jens Lubbadeh über die Innovationsunlust der Fahrradindustrie.

 

Dabei mangelt es nicht an innovativen technischen Lösungen fürs Rad. Inzwischen haben es eine ganze Reihe guter Fahrrad-Ideen zur Serienreife gebracht. So nimmt die Entwicklung des Berliner Start-ups Lock8 den Hightech-Kampf mit den Fahrraddieben auf. Die Entwicklung des "smarten" Fahrradschlosses wurde über Kickstarter finanziert. Geöffnet und verschlossen werden kann die Wegfahrsperre nur mit dem eigenen Smartphone, auf dem ein elektronischer Schlüssel gespeichert wird. Ein eingebautes Alarmsystem sendet bei Manipulationsversuchen eine Nachricht an den Besitzer des Rads, der sein Eigentum stets per GPS orten kann. Lock8 plant damit eine neue Sharing-Kultur für den Drahtesel: Denn die Technik eignet sich hervorragend für Fahrradverleiher.

 

Fahrvergnügen für Radfahrer

Für ein anderes notorisches Problem von Radfahrern fand das schwedische Start-up Hövding eine Lösung: den Fahrradhelm. Im Jahr 2005 erfanden die Designstudentinnen Anna Haupt und Terese Alstin im Rahmen ihrer Masterarbeit an der Universität Lund den „unsichtbaren“ Fahrradhelm. Der Hövding wird wie ein Schal getragen und bläst sich bei einem Aufprall automatisch auf. Bei Terminen kann er einfach in der Handtasche verstaut werden. Vermarktet wird der Hövding als Airbag für Radfahrer – und als die Revolution für das Radfahren.

 

Eine Revolution strebt auch COBI (Connected Bike) an. Das Start-up der iCradle GmbH aus Frankfurt am Main will die Connected Car Technologie aufs Fahrradfahren übertragen. Das Smartphone kann mittels einer Halterung am Lenker als Navi genutzt werden – Aufladung je nach Radtyp über Akku, Batterie oder Dynamo inklusive. Zusätzlich sorgen smarte Vorder- und Rücklichter für mehr Verkehrssicherheit. Die Lichter werden mit einer entsprechenden App verknüpft und können sich so automatisch an die Wetter- und Lichtverhältnisse anpassen.

 

Das Radfahrgefühl verbessern statt das Rad neu zu erfinden will auch Ozon Cyclery aus Berlin. Orthopädietechniker Stefan Brüning, Produktdesigner Dan Vogel-Essex und der ehemalige Fahrradkurier David Lohaus stellen Maß-Fahrräder aus Bambus her oder helfen ihren Kunden dabei, dies in ihrer Werkstatt mit Anleitung selbst zu tun. Bambus besitzt sehr gut Dämpfungseigenschaften, ist extrem leicht – und kann nicht rosten. Billig sind die Bambusräder aus Berlin nicht zu haben. Doch wer ökologisches Bewusstsein mit einer handwerklichen Erfahrung verbinden will, wird sein Fahrvergnügen hinterher umso mehr genießen. Und nur noch mit dem Fahrrad mobil sein wollen.

StartGreen ist das Online-Informations- und Vernetzungsportal des Borderstep Instituts für die grüne Gründungsszene in Deutschland. Hier informieren und vernetzen sich grüne Gründerinnen und Gründer, grüne Start-ups, grüne Investorinnen und Investoren und Finanzierende, nachhaltig orientierte Gründungszentren u.v.m. um ihr Wissen und ihre Erfahrungen auszutauschen.

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