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Crowdfinanzierung: Für wen?
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Noch bis vor kurzem galt Crowdfunding fast ausschließlich als Geldquelle für künstlerische, soziale oder ökologische Projekte. Hinzu kamen technologieorientierte Start-ups. Inzwischen nutzen auch Gründerinnen und Gründer in den traditionellen Branchen die Vorteile der Schwarmfinanzierung.
Crowdfunding - nicht nur für Kunst und Soziales
Diese Erfahrung haben u.a. die Gründungsberater der Industrie- und Handelskammer München und Oberbayern gemacht. „Wir haben Gründer aus dem Einzelhandel, aus der Gastronomie und anderen Bereichen, die Reward-Based-Crowdfunding nutzen. Voraussetzung dafür, dass die Kampagne erfolgreich verläuft, ist allerdings, dass das Produkt oder die Dienstleistung neu, emotional ansprechend und leicht verständlich ist. Dazu fallen mir zum Beispiel Lebensmittelgeschäfte ein, die als neuen Trend Waren ohne Verpackung anbieten. Oder kleine Brauereien, die mit einem sehr hohen regionalen und emotionalen Bezug auf den Markt kommen", sagt Linette Heimrich. Sie ist bei der IHK München und Oberbayern zuständig für Crowdfunding und Crowdsourcing und berät Gründerinnen und Gründer bei der Kampagnenplanung.
Allerdings geht es beim Crowdfunding nicht nur ums Geld. Der besondere Pluspunkt ist in den Augen von Linette Heimrich, dass Gründerinnen und Gründer schon vor dem Verkauf eines ersten Produkts einen engen Kontakt zu ihrer Zielgruppe pflegen müssen. Ihr müssen sie genau und verständlich erklären, was sie vorhaben und welchen Nutzen ihr Angebot oder ihre Dienstleistung hat. Dabei können sie feststellen, wie realistisch ihr Unternehmens-Konzept ist. Crowdfunding motiviert Gründerinnen und Gründer, sich intensiv mit Produkt und Markt auseinanderzusetzen. Und wenn viele Geldgeber bereit sind, einen Beitrag zu leisten, so ist das ein deutliches Anzeichen für die Zustimmung des Marktes. Dazu kommt: Aus der Crowd kommen in der Regel die ersten Kunden eines jungen Unternehmen.
Crowdinvesting für innovative Start-ups
Anders als beim Crowdfunding beteiligen sich beim Crowdinvesting (Equity-Based-Crowdfunding) Investoren und/oder Kleinanleger an Start-ups bzw. innovativen Wachstumsunternehmen. In der Regel handelt es sich um eine stille Beteiligung oder um partiarische, also gewinnabhängige Nachrangdarlehen, bei denen die Investoren zwar Informationsrechte, aber keinen Einfluss auf das operative Geschäft haben. Am häufigsten entscheiden sich Unternehmen aus der IT-Branche, dem E-Commerce, gefolgt von Dienstleistungen, Biotechnologie, Medizintechnik und Mode- oder Spielwarenunternehmen für diese Art der Finanzierung. Die meisten nutzen die Mittel für Forschung und Entwicklung und zur Markteinführung bzw. -durchdringung, stellt das Institut für Mittelstandsforschung IfM Bonn in einer Studie fest.
Demnach nutzen mehr als die Hälfte der Unternehmen Crowdinvesting im Gründungsjahr oder im ersten Jahr nach der Gründung (IfM Bonn 2015). Wie beim Crowdfunding profitieren die Start-ups auch hier vom Werbeeffekt bei den Endkunden und vom Zugang zu Branchen- und/oder Gründungsnetzwerken. Beides führt dazu, dass sich 85 Prozent der Unternehmen wieder für Crowdinvesting entscheiden würden, so das IfM Bonn.
Im Vergleich zum Reward-based-Crowdfunding ist der Aufwand beim Crowdinvesting allerdings höher. Darauf weist Karsten Wenzlaff hin. Er ist Mitglied im European Crowdfunding Stakeholder Forum der Europäischen Kommission: „Beim Crowdinvesting kommen Formalitäten wie das Vermögensanlagen-Informationsblatt der BaFin sowie die Bereitstellung von Unternehmensunterlagen hinzu. Darüber hinaus sollte das Start-up auch schon einen Prototypen für sein Produkt entwickelt haben. Ein kompetentes und dynamisches Team, ein überzeugender Business Plan und eine klare Finanzplanung gehören auch dazu. Letztlich muss das Start-up die Crowd genauso überzeugen können wie einen Business Angel oder Venture Capital Geber." Lesen Sie mehr dazu im Interview mit Karsten Wenzlaff.
Crowdlending - Alternative zu Förderdarlehen?
Beim Lending-Based Crowdfunding (Crowdlending) vermitteln Internet-Plattformen Darlehen an Selbständige oder auch zu privaten Zwecken. Die Kreditgeber erhalten dabei für die Dauer einer festgelegten Laufzeit feste monatliche Zins- und Tilgungsraten - unabhängig davon, ob das Unternehmen gerade in der Gewinn- oder Verlustzone ist. Die Formalitäten ähneln denen des Crowdinvestings. Vor allem bei größeren Investitionen lohnt es sich allerdings, sich vorab auch über infrage kommende Förderdarlehen zu informieren. Die Vorteile: Der Zins für Förderdarlehen ist meist niedriger, die Laufzeiten länger und mit der Tilgung des Darlehens muss erst später begonnen werden. Dennoch kann Crowdlending eine gute Alternative zum Bank- oder Förderkredit sein. Denn in der Regel brauchen die Kreditnehmer – anders als bei Banken oder Sparkassen – keine Sicherheiten zu stellen.
Weitere Informationen
- BMWi-Existenzgründungsportal
Crowdfinanzierung - Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
EXIST - Existenzgründungen aus der Wissenschaft
Interview mit Jonas Löher und Dr. Stefan Schneck, Mitglieder des IfM-Autorenteams - Institut für Mittelstandsforschung Bonn
IfM-Materialien Nr. 241
Unternehmensgründungen und Crowdinvesting - Handelskammer Hamburg
Crowdfunding Hamburg - Industrie- und Handelskammer Berlin
Crowdfunding - Crowdfunding-Canvas von der IHK München und Oberbayern
Dieser Artikel stammt aus dem eMagazin "erfolghoch2" (Ausgabe April 2016) des Existenzgründerportals des BMWi. Hier finden Sie den Artikel.